Das Verfassungsgericht des Landes soll künftig „Verfassungsgerichtshof“ heißen. Nach längerem Zögern erfüllt der Landtag den Richtern diesen Wunsch. Das sei für sie aber keine Herzenssache, sagen zwei Fraktionen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es wäre eine Premiere in der Geschichte Baden-Württembergs. Noch nie seit der Gründung des Südweststaats vor 63 Jahren wurde der Name eines Verfassungsorgans geändert. Nun aber planen Regierung und Landtag genau dies: Das Verfassungsgericht des Landes, der Staatsgerichtshof, soll in Verfassungsgerichtshof umbenannt werden. Damit würde ein lange gehegter Wunsch der Richter erfüllt, die Bezeichnung an die vor zwei Jahren eingeführte Landesverfassungsbeschwerde anzupassen. Das Staatsministerium kündigte eine entsprechende Gesetzesinitiative an, alle vier Fraktionen im Landtag wollen sie mittragen – allerdings erst nach längerem Zögern und teilweise nur widerwillig.

 

Bereits seit dem vergangenen Jahr hatte der Präsident des Staatsgerichtshofs, Eberhard Stilz, bei Regierung und Parlament für die Umbenennung geworben. Nun überließ er es seinem Stellvertreter Franz-Christian Mattes, diese gegenüber der StZ zu begründen. Der traditionelle Name, so der Vizepräsident, stamme aus einer Zeit, als das Organ „ausschließlich für staatsinterne Vorgänge“ zuständig gewesen sei. Seit der Einführung der Landesverfassungsbeschwerde könne er „als irreführend empfunden werden“.

Die neue Bezeichnung verdeutliche besser, dass der Gerichtshof „auch für den Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zuständig“ sei, betonte Mattes. Schon bei der Einführung der Landesverfassungsbeschwerde sei daher die Namensänderung erwogen, aber zunächst nicht umgesetzt worden.

Positive Bilanz des neuen Instruments

Die Öffnung für Eingaben von Bürgern habe sich „gut bewährt“, bilanzierte der Vizepräsident. Die Eigenständigkeit der Verfassung und der Grundrechtsschutz seien dadurch gestärkt worden. „Eine nicht unerhebliche Zahl von Verfassungsbeschwerden war sogar erfolgreich.“ Die Umfirmierung werde „auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur empfohlen“, betonte Mattes. Zudem verwies er auf die Praxis anderer Bundesländer: Dort, wo es ebenfalls eine Landesverfassungsbeschwerde gebe, hießen die Organe jeweils Verfassungsgerichtshof oder Landesverfassungsgericht. Nur in Hessen, das eine der Beschwerde vergleichbare Grundrechtsklage habe, firmiere das Verfassungsgericht gleichwohl als Staatsgerichtshof.

Laut Mattes müssten für die Umbenennung die Landesverfassung sowie neun Gesetze und Verordnungen geändert werden – darunter das Volksabstimmungsgesetz, das Ministergesetz und das Mediengesetz. Dort müsste jeweils „das Wort ,Staatsgerichtshof’ durch das Wort ,Verfassungsgerichtshof’ ersetzt werden“. In der Folge wären Briefbögen, Visitenkarten, Schilder oder Broschüren zu ändern. Gleichwohl verursache die von allen Mitgliedern des Gerichts befürwortete Änderung „keine nennenswerten Kosten“, teilte der Vizepräsident mit.

Die Kosten sollen unerheblich sein

„Von erheblichen Kostenfolgen ist nicht auszugehen“, bestätigte ein Sprecher des Staatsministeriums. Man unterstütze die „nachvollziehbare Anregung“ des Staatsgerichtshofs und werde „eine entsprechende Gesetzesänderung auf den Weg bringen“. Argumente zur Beibehaltung der bisherigen Namens seien „nicht mitgeteilt worden“, berichteten Regierung und Gericht unisono. Nach StZ-Informationen ist die Staatsministerin Silke Krebs (Grüne) in der Sache bereits zweimal beim Landtag vorstellig geworden, zunächst jedoch ohne Erfolg. Bereits im Februar 2014 sei das Präsidium erstmals vom Staatsministerium über das Ansinnen des Staatsgerichtshofs informiert worden, sagte ein Landtagssprecher. „Die Angelegenheit wurde damals erörtert, allerdings ohne Beschlussfassung.“ Wann sie erneut ins Präsidium komme, ließ er offen.

Inzwischen zeigen sich alle Fraktionen bereit, den Wunsch des Gerichtshofs zu erfüllen – teilweise aber nur zähneknirschend. Für Verfassungsänderungen ist eine Zweidrittel-Mehrheit nötig, deswegen werden sie fraktionsübergreifend abgestimmt. „Die CDU-Fraktion trägt die Umbenennung mit“, ließ ein Sprecher von Fraktionschef Guido Wolf ausrichten; diese sei konsequent und zeige den Bürgern, wofür das Gericht stehe. Auch die Grünen unterstützen die Initiative. Damit trage man dem erweiterten Aufgabenbereich Rechnung, sagte der Fraktionsgeschäftsführer Hans-Ulrich Sckerl. In der SPD gab es nach StZ-Informationen eine kontroverse Debatte. Der rechtspolitische Sprecher Sascha Binder sagte, man werde sich einem Konsens nicht verweigern, betreibe die Namensänderung aber „nicht mit viel Herzblut“. Distanziert äußerte sich auch der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke: Für die Liberalen sei die Umbenennung „kein Herzensthema“. Sie sähen beim Staatsgerichtshof „weder inhaltlichen noch sonstigen Handlungsbedarf“. Sollte es einen Konsens geben, „ist uns das Thema aber nicht wichtig genug für einen Streit“, sagte Rülke. „Erstaunt“ zeigte er sich, dass der Gerichtshof sein Anliegen über die Regierung eingespeist habe.

Keine Herzenssache für SPD und FDP