Neuer Ortsvorsteher in Dagersheim Aus dem Lehrerzimmer ins Bezirksamt

Hendrik Queck arbeitet sich intensiv in sein neues Amt ein. Foto: Eibner/Sandy Dinkelacker

Jahrelang hatte es immer einen raschen Wechsel an der Spitze des Dagersheimer Bezirksamts gegeben. Der Neue – ein Einheimischer – hat sich Kontinuität auf die Fahne geschrieben. Was bringt er mit für sein neues Amt?

Böblingen: Julia Theermann (the)

Er ist der siebte Ortsvorsteher für den Böblinger Teilort Dagersheim seit der Jahrtausendwende. Im Schnitt hatten Hendrik Quecks allesamt recht jungen Vorgängerinnen und Vorgänger gute drei bis vier Jahre im Chefsessel des Bezirksamts ausgeharrt, bevor sie sich auf höhere Stellen beworben hatten. Ein Thema, zu dem sich der Neue im Amt, Hendrik Queck, deshalb schon oft äußern musste. Denn auch er ist jung. „Das erste, was ich im Gemeinderat gefragt wurde, war, wie lang ich bleiben werde“, sagt der 28-Jährige, der sich seit Mitte August in den Verwaltungsalltag einarbeitet. Seine Antwort: „Ich habe nicht die Ambition, in Richtung Bürgermeister zu gehen.“ Er könne aber nachvollziehen, warum der Sessel im Bezirksamt in den vergangenen 23 Jahren vor allem für junge Leute mit großen Zielen interessant zu sein schien: „Man wird in dem Amt schon ganz gut vorbereitet auf was Höheres“, sagt er.

 

„Kontinuität würde Dagersheim guttun“

Dass er selbst den Posten als Ortsvorsteher nach eigenen Angaben nicht als Sprungbrett zu einem höheren Verwaltungsamt nutzen will, hat wohl auch damit zu tun, dass er nicht den klassischen Lebenslauf eines Verwaltungsbeamten mitbringt. Die vergangenen dreieinhalb Jahre hat Queck nämlich Wirtschaft, Politik und Geschichte an der IT-Schule Stuttgart unterrichtet. Vor dem Referendariat hat er in Stuttgart-Hohenheim Wirtschaftspädagogik sowie Politik und Geschichte im Zweifach studiert. Das Abitur hat Queck 2013 am Goldberggymnasium in Sindelfingen abgelegt.

Aber wie kommt ein junger Lehrer so kurz nach dem Berufseinstieg dazu, seine Karriere in solch eine andere Richtung zu lenken? „Ich habe schon immer eine Affinität zum Politischen gehabt“, so Queck. Mit 16 Jahren trat er in die CDU ein, kam schnell in den Vorstand des Ortsverbands Dagersheim und war als Internetreferent tätig, bevor er schließlich Vorsitzender wurde. „Über die Jahre habe ich mitgekriegt, dass es hier einen häufigen Wechsel gab“, sagt er. „Ein bisschen Kontinuität würde Dagersheim guttun.“

Ortsvorsteher als Kummerkasten

Da es in seinem eigenen Leben zuletzt viele Umbrüche auch in Form von Schicksalsschlägen gegeben habe, habe er das als ein Zeichen genommen, sich beruflich in seinem Heimatort Dagersheim zu verwirklichen. Queck selbst ist zwar in Tübingen geboren, aufgewachsen ist er aber in dem Böblinger Teilort an der Schwippe. Seine Mutter und sein Großvater seien waschechte Dagersheimer gewesen. „Meine Mutter ist sogar in Dagersheim geboren worden“, sagt er. Er habe in dem Ort beinahe sein ganzes Leben verbracht, sei gut vernetzt und habe einen guten Freundeskreis.

Fluch und Segen zugleich, weiß der ehemalige Lehrer. Schon kurz nach seiner Wahl im Mai dieses Jahres sei er auf der Straße häufig angesprochen worden. „Da geht es dann um die Themen Müll, um fehlenden Wohnraum, fehlende Kinderbetreuung oder auch um die Schwippebrücke, die bis vor Kurzem gesperrt war“, so Queck. Die Probleme zu lösen, liege oft nicht in seiner Macht, was einigen Gesprächspartnern nicht bewusst sei. Man sei als Ortsvorsteher nicht sein eigener Herr, sagen auch andere, die solch einen Posten inne haben.

Neutral bleiben im Heimatort

Mit der Wahl zum Ortsvorsteher habe er sich aus dem Vorstand der Dagersheimer CDU zurückgezogen. Das Parteibuch jedoch hat er nicht abgegeben. Zu seinen Parteikollegen muss er nun allein von Amts wegen schon eine gewisse Distanz wahren. „Als Beamter bin ich Staatsdiener und habe eine Treue- und Neutralitätspflicht“, sagt er. „Das gilt nicht nur im Landesdienst, in welchem ich als Lehrer schon tätig war und den Diensteid ablegen musste, sondern genauso auch im Kommunaldienst als Ortsvorsteher.“ Er sehe sich verpflichtet, die Mehrheitsentscheidungen des Ortschaftsrats vor der Stadtverwaltung zu vertreten – auch wenn es nicht seiner Meinung entspreche. „Genau das würde ich so auch zu Personen sagen, die versuchen würden, mich von ihrer Position zu überzeugen.“

Vom Lehrerzimmer ins Bezirksamt zu wechseln, das sei nicht ganz einfach gewesen. Zumal man die Verwaltungsstrukturen mit ihren Hierarchien und Zuständigkeiten erst einmal durchschauen müsste. Aber auch an den Wochenenden sei er viel mehr eingebunden als in der Zeit als Lehrer. „Ich versuche aktuell, so viele Termine wie möglich wahrzunehmen, damit ich vor allem die Leute in den Vereinen kennenlerne“, sagt Queck. Er habe aber auch vor, sich Wochenenden zu blocken und wegzufahren, um einfach mal nicht im Ort präsent zu sein. „Das muss ab und an sein, um mal rauszukommen.“

Themen gibt es genug

Für seine Amtszeit hat Queck viel vor. „Durch die vielen Wechsel an dieser Stelle ist natürlich einiges liegen geblieben“, sagt er. Als drängendes Problem sieht er beispielsweise die Pflegeinfrastruktur. „Die Diakoniestation hier hat enorme Probleme, Leute aufzunehmen. Das Problem wird sich in den nächsten Jahren noch zuspitzen.“

Weitere Themen, die er angehen will, sind die Schaffung von Wohnraum – „nicht einfach, weil es viele Stimmen gibt, die gegen eine Nachverdichtung sind“ – die E-Ladeinfrastruktur im Ort, aber auch die Platzprobleme in der Schule. „Und dann gibt es ja noch die 950-Jahr-Feier, da haben wir jetzt eine Projektstelle genehmigt bekommen“, sagt Queck. Langweilig wird es dem Neuen im Dagersheimer Bezirksamt also wohl auf absehbare Zeit nicht werden.

Die Vorgänger

Bezirksamt
Vor der Eingemeindung von Dagersheim als Stadtteil von Böblingen im Jahr 1971 war das Bezirksamt ein Rathaus mit einem Bürgermeister. Seitdem gibt es dort einen Ortsvorsteher, der die Interessen Dagersheims in der Kernstadt vertreten soll.

Wechsel
Seit dem langjährigen Ortsvorsteher Herbert Kopetschke (im Amt von 1975 bis 2000) hat es kaum einer der Nachfolger länger als drei Jahre im Chefsessel ausgehalten. Hier eine kleine Aufstellung.

Peter Müller
Von 2000 bis 2006 war Müller Ortsvorsteher. Dann wechselte er als Erster Beigeordneter nach Renningen.

Thomas Matrohs
Matrohs stand von 2006 bis 2009 am Steuer. Anschließend wurde er zum Bürgermeister in Deizisau (Kreis Esslingen) gewählt. Er ist dort immer noch Bürgermeister.

Susanne Weiß
Nachdem sie von 2009 bis 2012 Ortsvorsteherin gewesen war, zog sich Weiß aus dem öffentlichen Dienst zurück.

Michael Möslang
Auf Weiß folgte Möslang. Er blieb bis 2015 – und wurde danach Bürgermeister in Linkenheim-Hochstetten (Kreis Karlsruhe), wo er dieses Jahr wiedergewählt wurde.

Hannes Bewersdorff
Knappe vier Jahre blieb Bewersdorff in Dagersheim, bevor er 2019 zunächst nach Crailsheim wechselte. Inzwischen ist er Bauverwaltungsamtsleiter in Gerstetten (Kreis Heidenheim).

Alessandra Hütter
Als bislang jüngste Ortsvorsteherin begann Hütter 2019 im Alter von 25 Jahren in Dagersheim. Im Frühling dieses Jahres gab sie ihren Weggang nach Herrenberg bekannt. Dort leitet sie jetzt das Amt für Stadtentwicklung.

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