Günther Oettinger soll neuer EU-Haushaltskommissar werden – es wäre bereits sein dritter Posten in der Kommission. Das zeigt, dass sich der CDU-Mann bei der EU einen guten Ruf erarbeitet hat – und sich in Brüssel durchaus wohl fühlt.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Stuttgart - Wenn Günther Oettinger mit schnellerem Schritt, als man es von einem inzwischen 63-Jährigen erwarten würde, das Kommissiongebäude verlässt und noch auf ein Glas Weißwein zum Griechen gegenüber geht, dann merkt man: Der Stuttgarter ist hier schon länger angekommen. Vom Ober wird er wie ein regelmäßiger Gast begrüßt. Oettinger fühlt sich sichtlich wohl in Europa.

 

Als er vor sieben Jahren in Brüssel anfing, gab es durchaus skeptische Stimmen. Doch die sind verstummt. In der EU-Stadt wird er in diesen Tagen sogar gelegentlich als möglicher Kanzlerkandidat der Union gehandelt, sollte Angela Merkel doch nicht wollen. Seine Kompetenz für Wirtschaft hat sich herumgesprochen. Oettinger hat sich, wie es seine Art ist, durch die Akten gefressen, ist tief in die jeweiligen Dossiers eingedrungen, wie der Arbeitsbereich eines Kommissars im EU-Jargon heißt.

Rückkehr zu den baden-württembergischen Wurzeln

Nun bekommt er schon das dritte Dossier in seinen sieben Jahren Brüssel: Zunächst war er zuständig für Energie, danach sollte er den digitalen Binnenmarkt aufbauen, Anfang 2017 übernimmt er nun das Ressort für Haushalt und Personal. Er löst die Bulgarin Kristalina Georgieva ab, die zur Weltbank geht. Und er wird befördert: Wie Georgieva wird er einer von sieben Vizepräsidenten der Kommission und Stellvertreter Jean-Claude Junckers.

Seine Parteifreundin Inge Gräßle (CDU), Chefin des Haushaltskontrollausschusses im Parlament, wird ihm künftig auf die Finger schauen. Das ist die klassische Aufgabe der Abgeordneten. Für sie bedeutet der Themenwechsel Oettingers auch seine Rückkehr zu Wurzeln in der baden-württembergischen Landespolitik. „Haushalt, Ausgabendisziplin, Personalverantwortung – damit knüpft Oettinger an seine Zeiten als Ministerpräsident in Stuttgart an.“ Keine Frage: Er war seinerzeit der Finanzexperte unter den Ministerpräsidenten, die die Union aufzubieten hatte. Er leitete zusammen mit Peter Struck (SPD) die erste Föderalismuskommission. Und: Zu Zeiten, als Berlin davon nur träumen konnte, legte er einen Haushalt mit schwarzen Zahlen vor.

Oettinger muss bald dicke Bretter bohren

Oettinger hat künftig die Personalverantwortung für 34 000 Kommissionsbeamte. Auch hier schlägt Gräßle eine Brücke zum Land: „Das Personal in Brüssel ist allerdings weniger zahlreich, besser bezahlt, aber nicht weniger schwierig.“

Was die EU-Finanzen angeht, da kommen auf Oettinger in den nächsten Jahren dicke Bretter zu. Er wird sich mit den Folgen des Brexit beschäftigen müssen: Was passiert, wenn die Briten, ein Nettozahler in Brüssel, aussteigen? Das Vereinigte Königreich ist nach Deutschland und Frankreich der drittgrößte Nettozahler der EU. Oettinger wird die Frage klären müssen, ob die anderen Mitgliedsstaaten Mittel nachschießen müssen oder der EU-Haushalt gekürzt wird.

Mit Juncker war sich Oettinger nicht immer einig

Sein Chef ist und bleibt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Beide kommen aus der christdemokratischen Parteienfamilie. Doch der Luxemburger und Oettinger ticken politisch unterschiedlich. Das wurde in den letzten Jahren immer wieder deutlich, wenn es um die Stabilisierung der nationalen Haushalte ging. Juncker war durchaus bereit, für Frankreich, das den Euro-Stabilitätspakt wiederholt verletzt hat, immer wieder eine Ausnahme zu machen. Oettinger war stets dagegen und hat seine Kritik öffentlich gemacht. Er war etwa im Februar 2015 dafür, dass das Defizitverfahren gegen Frankreich verschärft wird. Juncker lobte am Freitag Oettinger: „Ich habe volles Vertrauen in seine Professionalität.“ Es sei gut, wenn die Kommission auf dessen große politische Erfahrung und sein gutes Netzwerk im Europaparlament und in der Kommission zurückgreifen könne.

Im Kanzleramt dürfte man die Beförderung begrüßen: Oettinger wird sich bestens ergänzen mit dem lettischen Reformer und Finanzkommissar Valdis Dombrovskis, wenn es demnächst wieder darum geht, den Stabilitätspakt zu verteidigen.