Neuer Premierminister in Frankreich Auf Barnier folgt Bayrou

Präsident Macron (r.) hat Francois Bayrou zum Premierminister ernannt. Foto: AFP/Georges Gobet

Der neue Premierminister Frankreichs heißt François Bayrou. Der Zentrumsdemokrat soll die Präsidentschaft Macrons retten – hat selbst aber viele Gegner.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Diesmal ging es schneller. Nur zehn Tage nach dem Sturz des bisherigen Premiers Michel Barnier stieg aus dem Pariser Élysée-Palast weißer Rauch auf: Das Präsidialamt bestätigte am Freitag die Ernennung von François Bayrou zum neuen Regierungschef Frankreichs. Der 73-jährige Politveteran gilt wie Emmanuel Macron als Mittepolitiker. Er hatte unter ihm bereits 2017 kurz als Justizminister gedient, bevor er wegen einer Veruntreuungsaffäre den Hut nehmen musste. Seine Hauptmission besteht ungesagt darin, die schlingernde Staatsführung des zweitgrößten EU-Mitgliedstaates zu stabilisieren. Macron ist nach den verpatzten Neuwahlen dieses Sommers angeschlagen. Seit dem Sturz Barniers verfügt Frankreich nicht einmal mehr über einen Haushalt für das kommende Jahr. Der alte Fuchs Bayrou, der vor mehr als dreißig Jahren erstmals Minister geworden war, soll unter anderem auch die Finanzmärkte beruhigen. Nicht nur sie sorgen sich um die horrende Staatsschuld von 3200 Milliarden Euro und ein Budgetdefizit von 6,2 Prozent.

 

Ob mit Bayrou Ruhe in die französische Politik einkehren wird, ist allerdings zu bezweifeln. Der in Frankreich bekannte Zentrist steht in der Sache wie der Form für eine ähnliche Politik wie sein Vorgänger Barnier: Die zwei stehen für eine moderate bürgerliche Politik christdemokratischer Prägung. Die Gründe, die zum Ende der nur dreimonatigen Amtszeit Barniers führten, sind keineswegs beseitigt. Die linke „Volksfront“ beansprucht seit vergangenem Sommer den Premier-Posten. Bei den Neuwahlen hatte sie in der 577-köpfigen Nationalversammlung 180 Sitze errungen – ein Dutzend mehr als Macrons Mitte und 40 mehr als Marine Le Pens Rechte. Deshalb erachtet sie Macrons Regierungen als nicht legitim.

Bereits erster Aufruf zum Sturz Bayrous

Ein neuer Misstrauensantrag der Volksfront gegen Bayrou ist damit nicht auszuschließen. Die Fraktionschefin der „Unbeugsamen“, Mathild Panot, rief nur Minuten nach der Ernennung Bayrous dazu auf, ihn zu stürzen, wie schon Barnier gestürzt worden war. Vorläufig gibt es dafür keine Mehrheit: Sozialisten sprachen sich in ersten Reaktionen gegen einen Sturz aus; auch Le Pens rechte Hand Jordan Bardella erklärte, fürs Erste gäbe es keinen Grund für eine „censure“, wie man einen Misstrauensantrag in Frankreich nennt.

Das kann aber sehr rasch ändern. So vor allem, wenn Bayrou in den nächsten Tagen ein Sparbudget vorlegen sollte. In dem Fall könnten die Linksparteien und die Lepenisten rasch wieder eine Mehrheit zustandebringen, um die neue Regierung zu Fall bringen. Macron hatte deshalb in den vergangenen Tagen versucht, die Volksfront aufzubrechen. So bot er pragmatischen Sozialdemokraten wie Bernard Cazeneuve oder Jean-Yves Le Drian offenbar den Premierposten an. Sie lehnten aber dankend ab.

Bei konservativen Republikanern ist Bayrou geradezu verhasst

Für das Überleben der Bayrou-Regierung wird ausschlaggebend sein, ob die Sozialisten und die Grünen, die moderaten Komponenten der Volksfront, einen Misstrauensantrag der Extremisten Mélenchon und Le Pen mittragen werden. Bayrou ist bei den Sozialisten zwar eher gut angeschrieben; aber er muss befürchten, dass die die vereinte Linke ihn zu stürzen versucht, um indirekt Macron zu treffen.

Und bei den konservativen Republikanern ist Bayrou geradezu verhasst. Deren graue Eminenz und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy hat nicht vergessen, dass der Zentrumsdemokrat bei zwei Präsidentschaftswahlen nicht zu seiner Wahl aufgerufen hatte. Keine besseren Gefühle weckt Bayrou bei der extremen Rechten. Le Pen droht eine Verurteilung wegen der Veruntreuung von EU-Geldern. Bayrou ist im Februar aufgrund des gleichen Tatbestandes freigesprochen worden. Vorläufiges Fazit von Bayrous-Ernennung: Von rechts- bis linksaußen angefochten, von Mélenchon, Sarkozy und Le Pen bedroht, dürfte der neue Premier für Macron kaum ein Anker der Stabilität sein. Ebenso wenig für Frankreich und Europa.

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