Der schuldlos in Guantanamo eingesperrte Deutsch-Türke Murat Kurnaz soll in einem neuen Prozess um das Straflager als Zeuge auftreten. Seine Aussagen könnte die unrühmliche Rolle der deutschen und der US-Regierung beleuchten.

Berlin - Fast sieben Jahre ist nun her, dass Murat Kurnaz aus Guantánamo freikam – nach 44 Monaten Lagerhaft. Längst hat der aus Bremen stammende Türke ein neues Leben begonnen, eine Familie gegründet, eine Arbeit aufgenommen. Aber seine Erinnerungen an die Qualen im US-Gefangenenlager auf Kuba wird er nicht los. Auch auf einer Pressekonferenz in den Berliner Räumen der europäischen Menschenrechtsorganisation ECCHR stand er im Mittelpunkt.

 

Bald wird er wohl ausführlicher über die Lagerhaft berichten müssen. Denn die spanische Justiz führt seit 2009 strafrechtliche Ermittlungen wegen der Vorgänge in Guantánamo. In dem Verfahren, das sich vorerst noch gegen unbekannt richtet, geht es um den Vorwurf der Folter und Misshandlung von vier ehemaligen, unschuldig inhaftierten Gefangenen aus Spanien. Sie waren in Zellen eingesperrt, die Hühnerställen ähnelten und in denen außerordentlich hohe Temperaturen herrschten. Um ihren Willen zu brechen, wurden sie zeitweise lauter Musik ausgesetzt, in eiskalte Kühlzellen gesperrt und ständig hellem Licht ausgesetzt. Einen rechtlichen Beistand hatten sie bei Verhören nicht. Außerdem wurden sie sexuell genötigt, sie mussten sich nackt ausziehen, wurden geschlagen.

Kurnaz hat all das auch erlebt und noch mehr. In dem spanischen Verfahren soll er deshalb nun bald als Zeuge aussagen. Die von europäischen Rechtsanwälten gegründete Organisation ECCHR hat den Bremer als Zeugen nominiert. Weder in den USA noch in Deutschland, wo er aufgewachsen ist, hat Kurnaz vor Gericht Recht bekommen. Niemand hat sich dafür entschuldigt, dass er 44 Monate lang grundlos in Haft saß. Niemand hat ihm eine finanzielle Entschädigung für die Torturen gezahlt. Dieses Schicksal teilt er mit fast allen unschuldig eingesperrten Guantánamo-Häftlingen, die schwere körperliche und seelische Schäden davontrugen. Lediglich ein Kanadier hat eine Entschädigungszahlung und eine Entschuldigung erhalten – von der kanadischen Regierung. „So viel Verantwortungsbewusstsein hätten wir uns von der deutschen Regierung auch gewünscht“, sagte sein Anwalt. „Aber leider war bis heute niemand dazu bereit.“