Der Göppinger Kreistag spricht sich mit knapper Mehrheit dafür aus, den Vertrag mit der EEW, die das Müllheizkraftwerk betreibt, zu ändern. Rund 800 Menschen haben zuvor also vergeblich gegen die Kapazitätserhöhung demonstriert.

Kreis Göppingen - Noch einmal wurden die Argumente ausgetauscht. Noch einmal stritten sich die Befürworter und die Gegner der angestrebten Vertragsänderung mit dem privaten Betreiber des Göppinger Müllheizkraftwerks, der Energy from Waste (EEW). Und am Ende wunderten sich viele Besucher der Kreistagssitzung, warum – gegen den erklärten Willen vieler Bürger – einer Erhöhung der zu verbrennenden Abfallmenge um rund 22 000 auf 180 000 Tonnen zugestimmt wurde. Mit einer Mehrheit von 29:23 Stimmen bei vier Enthaltungen ist die Entscheidung letztlich knapp ausgefallen. Über den Verlauf der ebenso kontroversen wie emotionalen Debatte im Staufer-Saal auf Schloss Filseck werden wir noch ausführlich berichten.

 

Emotional, wenn auch weit weniger kontrovers, war es bereits am Mittag auf dem Marktplatz der Hohenstaufenstadt bei einer Protestkundgebung gegen das neue Vertragswerk zugegangen. In seltener Einmütigkeit hatten die Stadtpolitiker vor der stattlichen Zahl von 800 Demonstranten deutlich gemacht, dass Göppingen die angestrebte Kapazitätserhöhung ablehnt, die Kündigungsfrist mit der EEW zum Ende des Jahres 2025 nicht ohne Not verlängern und die Anlage stattdessen zurück in die öffentliche Hand holen möchte.

Göppinger Christdemokraten sagen Nein – und bleiben standhaft

André Bönsch, als Sprecher der Besorgten Bürger, Oberbürgermeister Guido Till, der Eschenbacher Schultes Thomas Schubert sowie Vertreter sämtlicher Gemeinderatsfraktionen stellten klar, was sie von dem Ansinnen der Kreisverwaltung halten – nämlich rein gar nichts. Bönsch war froh und dankbar, „dass wir diese gemeinsame Demo hinbekommen haben – und das mit einem Zuspruch, von dem ich nicht zu träumen gewagt hätte“. Zudem lobte er ausdrücklich Till, die CDU-Ratsfraktion und den CDU-Stadtverband. „Sie haben sich von den Spaltpilzen Nicole Razavi und Wolfgang Rapp in der CDU-Kreistagsfraktion nicht beirren lassen“, sagte er unter dem tosenden Applaus des Publikums.

Till forderte nachdrücklich, „dass die Interessen der mit Abstand größten Stadt im Kreis und ihrer Umlandgemeinden nicht einfach übergangen werden dürfen“. Das Nein zu mehr Müllverbrennung, zu mehr Schadstoffen und zu mehr Verkehr sei einmütiger Bürgerwille, ergänzte er und forderte von Landrat Edgar Wolf, der seinerseits als Besucher zu der Kundgebung auf den Marktplatz gekommen war, die Sitzungsvorlage zurückzuziehen.

Großen Beifall erntete der Göppinger Rathauschef, als er betonte, dass er den beschwichtigenden Äußerungen der Betreiberfirma keinerlei Glauben schenke: „Die EEW versucht, den Vertrag bis zum letzten Cent auszumosten und ihren Gewinn zulasten der Göppinger Luft zu maximieren.“ Thomas Schubert erklärte, „dass mein Vertrauen in agierende Personen Risse bekommen hat“. Er verwahrte sich auch dagegen, das Müllheizkraftwerk als einzige Ursache für eine erhöhte Rate an Krebserkrankungen in Eschenbach verantwortlich gemacht zu haben. „Ich erlaube mir aber den Hinweis, dass noch lange nicht alle Schadstoffe, die aus dem Kamin kommen, erfasst sind und man uns weismachen kann, dass die Luft aus dem Schornstein sauber ist“, sagte Schubert und appellierte an die zuständigen Mandatsträger: „Sie dürfen ihre Meinung revidieren.“

Protest auch vor der Sitzung auf Schloss Filseck

Die Reden der Gemeinderatsvertreter gingen in die gleiche Richtung, wobei Felix Gerber (CDU) seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, „dass sich 2006 wiederholt, als eine zweite Verbrennungslinie im Müllofen in letzter Sekunde noch abgelehnt wurde“. Die Kritik seiner Parteikollegen wies er ebenfalls zurück. „Ich habe kein Problem mit Herrn Stähle von der Linken hier auf einer Bühne zu stehen, wenn es um das Wohl der Menschen geht“, sagte Gerber. Zahlreiche Redner forderten überdies, einen Volksentscheid in Baden-Württemberg auch auf Kreisebene einzuführen, ehe sich zum Schluss die Redner und die Kundgebungsteilnehmern symbolisch die Hände reichten und zusammenrückten.

Am Nachmittag versammelten sich dann etwa 100 Demonstranten im Hof von Schloss Filseck, um den Kreisräten vor deren Entscheidung noch einmal ihre Sicht der Dinge zu bekunden und mit ihnen wenigstens teilweise ins Gespräch zu kommen. Geholfen hat es nicht mehr. Die Entscheidung ist gefallen.