Seit 1. Februar ist Jan Gerken Verwaltungschef der Uni Stuttgart. Der Wirtschaftsinformatiker und Ökonom will nicht nur die Verwaltung neu aufstellen. Er will auch die Mitarbeiter begeistern und setzt auf Kommunikation und Verlässlichkeit.

Stuttgart - Der Uni Stuttgart stehen spannende Zeiten bevor. Nicht nur, weil am 30. Mai eine Rektorwahl mit zwei internen Kandidaten ansteht: Amtsinhaber Wolfram Ressel und Herausforderer Michael Resch. Sondern seit 1. Februar amtiert auch ein neuer Unikanzler: Jan Gerken heißt der der neue Verwaltungschef. Und der kündigt im Gespräch mit unserer Zeitung große Veränderungen an – in den Verwaltungsabläufen, aber auch im Führungsstil. Er will an der Uni nichts weniger als einen Kulturwandel einleiten.

 

„Was sich hier auf jeden Fall ändern muss“, so Gerken, sei die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen – „da seh ich viel Potenzial“. Solche Ziele sind für den Wirtschaftsinformatiker und Diplomökonomen, Jahrgang 1966, kein Neuland. Schließlich sei er „seit mehr als 20 Jahren an Unis unterwegs“, zuletzt als Kanzler der Uni Erfurt in Thüringen. Wenn er davon spricht, „digitale Prozesse zu modellieren“, meint der gebürtige Aachener allerdings viel mehr als ein papierfreies System. Als Beispiel nennt er die Abwicklung von Reisekosten. Ziel müsse sein, diesen Ablauf vom Antrag bis zur Abrechnung in ein einheitliches System zu bringen. „Das wird unheimlich viel Zeit sparen und Zufriedenheit bringen, auch bei den Betroffenen“, davon ist Gerken überzeugt. Die Uni Stuttgart agiere diesbezüglich eher „im Mittelfeld“, es gebe da aber „gute Vorbilder in Deutschland“.

Neuer Unikanzler setzt auf Teamarbeit und Kommunikation

Allerdings erfordern solche Ziele ein Umdenken – bei einer Uni mit 5000 Beschäftigten und mehr als 27 000 Studierenden keine Kleinigkeit. „Man muss in Prozessen denken, nicht in Abteilungen“, erklärt Gerken, „und man muss viel mehr in Teams arbeiten“. Dies möchte der neue Kanzler erreichen, indem die Aufgaben als Projekte klar definiert werden, für deren Leitung jeweils ein Spezialist eingestellt werden soll – befristet, aber bei Erfolg mit der Perspektive auf Weiterbeschäftigung. Für eine klassisch hierarchisch geführte Uni könnte so ein Vorgehen einem Erdbeben gleichkommen. Zumindest aber wird Gerken zunächst mit einem gewissen Beharrungsvermögen und einer Unlust auf Veränderung in den Abteilungen rechnen müssen. Wie er damit umgehen will? „Für mich ist einer der größten Erfolgsfaktoren überhaupt Kommunikation – ganz viel reden, es den Leuten erklären.“ Schließlich habe er bereits viel Übung darin. Daher sei er „sicher, dass das klappt“.

Priorität hat für Gerken ein sogenanntes integriertes Berichtswesen. Das bedeutet, für Verwaltungsprozesse, die historisch gewachsen mit unterschiedlicher Software arbeiten, eine Vereinheitlichung in Form einer übergeordneten Auswertungsdatenbank einzurichten. Als hierarchisch gleichberechtigte Partnerin steht dem Kanzler dabei Simone Rehm zur Seite, die als hauptamtliche Prorektorin für IT und als erster Chief Information Officer (CIO) ebenfalls Rektoratsmitglied ist. Man werde diese Prozesse über eine Lenkungsgruppe steuern, der beide angehören. IT sei allerdings nie die Lösung, sondern das Werkzeug, betont Gerken.

Keine Angst vor Sanierungsstau in Höhe von einer Milliarde Euro

Was ihn von Erfurt an die Uni Stuttgart gelockt hat? „Die Möglichkeit, Exzellenz-Uni zu werden, das Wissenschaftsumfeld in Baden-Württemberg – das sind tolle Voraussetzungen hier“, meint Gerken. Dass die Uni Stuttgart allerdings auch mit einem Sanierungsstau in Höhe von einer Milliarde Euro zu kämpfen hat, nimmt der Mann eben als Herausforderung. Vielleicht, so seine Überlegung, gelinge es ja, dass die Uni eine Bauherren-Vertretereigenschaft erhalten könne, wie es die Uni Erfurt praktiziert habe. So könnten Uni und Unibauamt ihre Kräfte bündeln und gemeinsam mehr Baukapazität stemmen. Die Rahmenbedingungen dafür gebe es hier zwar noch nicht, „aber man kann ja mal in die politische Diskussion einsteigen“, meint Gerken. Ihm ist schon klar: „Ohne entsprechendes Fachpersonal geht das nicht – man muss das offen diskutieren.“

Apropos Personal. Ein persönlicher Referent soll Gerken künftig unterstützen. Das Auswahlverfahren für die zusätzliche Stelle ist bereits im Gange. Bereits in Erfurt und Düsseldorf habe er Referenten gehabt. Eine solche Person sei notwendig, um Feedbacks einzuholen, als Scharnier, als Erfolgskontrolle, und um Verlässlichkeit zu gewährleisten.

„Ich brauch Verlässlichkeit, das ist ja ein Riesenladen“, meint der neue Hochschulmanager, der „Kommunikation und Leute begeistern“ zu seinen persönlichen Stärken zählt. Elementar seien für ihn aber, neben der Verlässlichkeit, auch Wertschätzung und Vertrauen. „Man muss das vorleben“, sagt er. Auch die Teamarbeit.

Als passionierter Läufer will sich der Neu-Stuttgarter die Landeshauptstadt „nach und nach erlaufen“. Sein erster Eindruck: „Ich finde die Stadt sympathisch.“ Ein bisschen erschrocken sei er, „dass Stuttgart 21 zu Stuttgart 24 wird“.