Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: Jochen und Max Baier (r.) teilen die Liebe zum guten Brot. Foto: /Stefanie Schlecht
Wenn Jochen Baier einen Nachfolger backen könnte, es wäre sein Sohn Max. Der ist Deutscher Meister der Bäckerjugend und tritt bei internationalen Wettbewerben an. Ob er in die Fußstapfen des Vaters tritt, lässt der 21-Jährige offen. Jetzt geht es erstmal nach Lyon zu den World Skills.
Max Baier tritt in große Fußstapfen. Seit sechs Generationen und fast 200 Jahren backen die Baiers in Herrenberg Brot; sein Vater Jochen Baier ist weit über den Landkreis hinaus als Koryphäe seines Fachs bekannt, trägt Titel wie Deutscher Bäcker- und Konditormeister, Weltbäcker des Jahres, er war Genussbotschafter des Landes und an der Seite von Johann Lafer ZDF-Juror für Deutschlands Beste Bäcker. Max Baier, der älteste von vier Geschwistern, könnte das Familienunternehmen in die siebte Generation führen. Will er das auch?
Tatsächlich hat Max Baier nach seinem Abitur eine Bäckerlehre gemacht, aktuell studiert er in Friedrichshafen Internationales Management und jobbt an den Wochenenden in einer kleinen Bäckerei in Langenargen. „Ich habe mich schon gefragt, wie ich meinen Weg finden kann, wenn mein Papa eine so große Figur in der Bäckerwelt ist“, sagt der 21-Jährige. Er hat für sich eine Antwort gefunden: „Ich kann ihn nur finden, wenn ich meine eigene Sonne finde und meinen eigenen Schatten werfe.“ Ob er das Unternehmen „Bäcker Baier“ eines Tages weiterführen wird, lässt er sich noch offen. Erst mal studieren, sagt er. „Gerade bin ich schon sehr bäckerfokussiert, aber ich will mich noch nicht einschränken. Ich versuche, den Druck so weit wie möglich abzuschirmen und so zu entscheiden, wie es für mich am besten ist.“
Sein Vater unterstützt diese Haltung. Er selbst hatte als junger Mann keine Wahl, er war als Nachfolger fest vorgesehen. „Meine Revolution war: Ich werde Konditor und nicht Bäcker“, sagt Jochen Baier, der längst auch den Bäckermeistertitel innehat. Seine Kinder sollen sich „nach Talent und Möglichkeiten“ entwickeln, sagt er, und räumt ein, dass er sich natürlich freue, dass alle vier immer wieder im Betrieb mitanpacken. „Es freut mich, dass sie eine Wertschätzung haben für unser Handwerk und das, was unsere Familie seit 200 Jahren ernährt“, sagt er. Gleichwohl sieht er große Probleme in der Branche, in der das Brot nur noch zu einem Viertel von Handwerksbäckern und drei Vierteln industriell hergestellt werde. Der Verdienst eines Bäckergesellen ernähre kaum eine Familie. Die zentrale Frage der Zukunft sei: „Wie kann man gutes Handwerk erhalten?“
Dass sein ältester Sohn nun mit dem Bäckerwesen liebäugelt, freut Jochen Baier aber unheimlich. „Ich hätte mir das nie träumen lassen. Und das Schönste ist: Er hat wirklich Freude daran“, sagt er und staunt über das fachliche Wissen, das sein Sohn in seinen jungen Jahren schon angehäuft hat. Übers Internet sei unwahrscheinlich viel Wissen verfügbar und Vernetzung mit anderen Fachleuten möglich. „In vielen Sachen ist er fast weiter als ich“, sagt er. Führt das nicht zwangsläufig zu Konflikten? Baier grinst und sagt, er könne verstehen, wie Generationenkonflikte entstehen können, „aber wir haben einen sehr guten Umgang miteinander und reden darüber“.
Harte Arbeit, cooles Gefühl
Eine Sache, die die beiden hochgewachsenen Männer gemein haben, ist ihr Ehrgeiz, zu den besten gehören zu wollen. 1993 hat Jochen Baier den Titel „Deutscher Meister der Bäckerjugend“ errungen, genau 30 Jahre später hat sein Sohn denselben Titel nach Herrenberg geholt. „Das war ein cooles Gefühl und eine Belohnung für die harte Arbeit, die man reingesteckt hat“, sagt Max Baier. Denn so ein Wettbewerb wird nicht aus dem Ärmel geschüttelt, sondern bedarf monatelanger Vorbereitung in verschiedenen Kategorien. Alles muss später nicht nur fantastisch schmecken und gut aussehen, sondern auch in knapp bemessener Zeit umgesetzt werden. Das lange Training zahle sich aber aus: „Man setzt sich viel intensiver damit auseinander, als man das im Alltag machen würde“, sagt der Jungbäcker. Das sei kräftezehrend, aber auch lehrreich.
Mit dem Titel hat Max Baier sich für internationale Wettbewerbe qualifiziert. Und so ging’s Anfang Juli in die isländische Hauptstadt Reykjavik zur Weltmeisterschaft der Bäckerjugend, was der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen ganzseitigen Bericht über „Max und das perfekte Hefeteilchen“ Wert war. Im Zweierteam mit einer Kollegin aus Dresden trat er gegen Mannschaften aus Schweden, China, Spanien, Frankreich, Island und Ungarn an. Die Brezel in der Kategorie Kleingebäck habe bei der Jury „für Faszination gesorgt“, erzählt Max Baier – ein Heimspiel für ihn. Sein Lieblingsstück sei das Pain au Chocolat, ein Schokobrötchen aus Blätterteig, gewesen, „da steckt mein Herz dahinter“, sagt er und holt ein Exemplar aus der Verkaufstheke. Reinbeißen mag er nicht, denn: „Ich mach’ es lieber, als dass ich es esse, ich bin nicht so der Süße.“ Dennoch liebe er das anspruchsvolle Herstellen von Viennoiseries, also Plunderteilchen, weil man sehr genau arbeiten müsse.
Zum Reinbeißen: Das Pain au Chocolat ist Max Baiers Lieblingsstück. Foto: sts/Stefanie Schlecht
Die beiden landeten auf dem vierten Platz, der Pokal ging nach Schweden. Max Baier: „Ich bin bisschen enttäuscht, weil wir so viel Zeit reingesteckt haben, aber es war verdient.“ Es sei „cool“ gewesen, vier Tage in Island zu verbringen, der First Lady die Hand zu schütteln, Einblick in andere Arbeitsweisen zu bekommen und zu sehen, welch hohen Stellenwert Handwerk in anderen Ländern habe. Und es geht weiter: Mitte September reist Max Baier nach Lyon zu den World Skills, „das ist so etwas wie die Olympiade der Berufe“, erklärt der Bäcker. 24 Länder seien am Start, fast 60 Berufe aus Industrie, Handwerk und Dienstleistung wetteifern miteinander. Max Baier vertritt die Bäckerzunft. „Gekürt wird der, der sein Handwerk am besten beherrscht“, sagt er. Sein Ziel: unter den besten drei zu landen. Vielleicht reicht es ja am Ende sogar für einen Titel – den hätte er dann seinem Papa voraus.
World Skills Wettbewerb
Kräftemessen World Skills ist ein Leistungsvergleich nicht-akademischer Berufe für Teilnehmer bis zu 23 Jahren. Bis zu den frühen 1990er Jahren hieß die Veranstaltung im Deutschen noch Internationaler Berufswettbewerb. Inoffiziell sind auch die Namen Berufsolympiade oder Berufsweltmeisterschaft verbreitet. Ausgerichtet wird er alle zwei Jahre von der Organisation World Skills International mit Sitz in Amsterdam.
2024 Vom 10. bis 15. September treten beim World Skills im französischen Lyon 1500 Teilnehmende aus mehr als 65 Ländern und Regionen in den Wettstreit um die Medaillen. Sie gehen in insgesamt 59 Wettbewerbsdisziplinen an den Start. Die Deutsche Berufe-Nationalmannschaft tritt mit 42 Spitzenfachkräften aus Industrie, Handwerk und Dienstleistung in 37 Berufsdisziplinen an. Bundeskanzler Olaf Scholz übernimmt die Schirmherrschaft für die Deutsche Berufe-Nationalmannschaft.