Der neue Direktor der Stuttgarter Wilhelma hat in nur vier Jahren auf seinem vorherigen Posten – dem Erfurter Zoopark – viel Neues geschaffen. Dabei steht natürlich immer das Wohl der Tiere im Vordergrund.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Für seine Ideen hat Thomas Kölpin in Erfurt jede Menge Raum gehabt. Der Biologe, der am nächsten Montag als neuer Direktor der Wilhelma eingesetzt wird, konnte in den zurückliegenden Jahren an seiner alten Wirkungsstätte viel gestalten. „Es ist ja noch Platz“, bringt er auf den Punkt, warum er in nur vier Jahren als Chef des Erfurter Tierparks etliche Anlagen umbauen, neu schaffen und erweitern konnte. Die nackten Zahlen beweisen es: Mit 63 Hektar Fläche ist der Erfurter Zoo mehr als doppelt so groß wie Thomas Kölpins neue Wirkungsstätte. Die Wilhelma misst rund 30 Hektar.

 

Die Grafik zeigt eine Karte des Erfurter Zooparks. Für eine große Darstellung bitte auf die Grafik klicken. Foto: StZ
Platz ist im Erfurter Zoopark nicht nur für Tiere, sondern auch reichlich für die Besucher, die zum Teil mit den Tieren gemeinsam durch die weitläufigen Anlagen streifen können. So etwa in Thomas Kölpins erster neu konzipierter Anlage nach seinem Dienstbeginn 2009 in Erfurt. Im Jahr darauf ließ er den begehbaren Hirschwald einrichten.

Kängurus hüpfen frei um die Gäste des Tierparks herum

„Die Tiere standen etwas unglücklich herum“, beschreibt er den vorherigen Zustand. Wald gibt es reichlich auf dem Gelände in Erfurt. Ein Zaun drum herum, eine Schleuse für die Besucher, Futterstellen an gut einsehbaren Stellen: fertig ist der Raum, in dem Mensch und Tier sich begegnen können, ohne Scheiben, Gitterstäbe und sonstige Barrieren.

Dieses Konzept musste Thomas Kölpin als Direktor in Erfurt nicht komplett neu erfinden. Auf dem Berberaffenberg funktioniert das Erlebnis ebenso. Mehrere Pfade führen den Hügel hinab, über den sich der Tierpark erstreckt, und auf den Wiesen tollen die Affen, während Besucher durch ihr grünes Reich spazieren. Auch im Känguruland setzt der Erfurter Zoo seit längerem auf dieses Konzept der direkten Begegnung mit den Tieren: Die Beuteltiere hüpfen frei um die Gäste des Tierparks herum. Da das Konzept gut ankommt, hat Thomas Kölpin es 2012 für eine weitere Tierart umgesetzt. Im Lemurenwald schwingen sich die drolligen Bewohner der Insel Madagaskar von Baum zu Baum, nähern sich aber auch zutraulich den Besuchern. Nur jetzt im Winter bleiben sie im warmen Haus. Insgesamt hat Erfurt sieben begehbare Gehege. Den schwarzen Ibis, die Keas und die Tiere im Streichelzoo lernen die Besucher ebenfalls auf diese Weise kennen.

Die Tiere sollen möglichst viel Platz haben

Ob der Besucher sich nun das Gelände mit den Tieren teilt oder hinter einer Absperrung vorbeigeht, einen Grundsatz gilt es für den neuen Wilhelma-Chef immer zu berücksichtigen: „Die Tiere sollen viel Platz haben, das ist wichtiger als große Bereiche für die Besucher“, sagt er. Im Nashornhaus des Erfurter Tierparks hat er zeigen können, wie es nicht sein soll. Das Gebäude ist hoch, hat einen Zugang über dem Gehege der Tiere – „auch energetisch schlecht“, nennt Kölpin diese Lösung am alten Wirkungsort. Die Nashörner stehen in ihren Boxen, der Mensch hingegen hat auf der anderen Seite des Hauses viel Platz zum Umhergehen. Zwar gibt es noch eine Außenanlage, in der sich die Dickhäuter bewegen können, doch glücklich gelöst ist die Anlage für den Verhaltensforscher nicht. Schließlich soll der Besucher das Tier nicht nur betrachten, sondern sehen, wie es sich in seinem Umfeld bewegt.

Das zeigt zum Beispiel die 2012 gestaltete Gepardenanlage. L-förmig ist das Gelände geformt, so dass die Tiere von einem Ende nicht zum anderen gehen können. Das Tier muss – wie in freier Wildbahn – umherstreifen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Essen wird ihm nicht einfach vorgesetzt, auch beim Füttern zeigt die Raubkatze, wie sie sich in der Natur verhält: Auf einem Schlitten flitzt das Fleisch vorbei, die Katze hinterher.

Kölpin bringt viele Ideen von Reisen mit

Pfleger und Tierärzte dürfen nicht nur, sie müssen mitreden, wenn neue Anlagen entstehen. „Die Federführung liegt bei mir, aber die Fachleute müssen sagen, wie sie am besten an die Tiere rankommen“, sagt Thomas Kölpin. Das galt auch bei der 2010 angelegten Südamerikaanlage, eine von mehreren Tier-WGs im Erfurter Zoo: Wer in der Heimat der Tiere einen Lebensraum teilt – ohne sich gegenseitig zu fressen, versteht sich – soll das auch im Tierpark tun. Lamas, große Maras, auch Pampashasen genannt, und Nandus bevölkern die Anlage gemeinsam. Die Ställe und Servicegebäude sind bunt angemalt – wie Häuser in der südamerikanischen Umgebung. Solche Ideen bringt Kölpin von Reisen mit.

Südafrika, Australien und Südwestamerika zählt der Zoodirektor zu seinen liebsten Reisezielen – „und ein neues Projekt kann auch mal das Urlaubsland vorgeben“, fügt er hinzu. So kommt er dann mit Ideen für neue Tier-WGs zurück. Ein weiteres solches Projekt in Erfurt ist die Afrikasavanne – Zebras, Antilopen, Impalas und Strauße. Abschnitt eins ist fertig, den Bau von Abschnitt zwei muss Kölpins Nachfolger gestalten. „Vergesellschaftung“ lautet das Wort, das man am Zaun der Afrikasavanne lernt. Noch so eine neue Vokabel beim Rundgang mit dem Direktor ist die „Begleittierart“. Das sind kleine Tiere, die zwar in die Umgebung großer Nachbarn gehören, aber nicht im gleichen Gehege untergebracht sein sollen. Präriehunde leben seit 2011 neben den Bisons, „damit da mehr Action ist“. Überhaupt Action: Die gibt es in Erfurt zurzeit auf der Großbaustelle der Elefantenanlage. Für rund acht Millionen entstehen dort eine Außenanlage und ein Haus – nebst Behausung für Zebramangusten als Begleittierart. Nicht viel Geld im Vergleich zu anderen Baustellen, sagt Thomas Kölpin. „Man muss das immer selber in der Hand haben und kann viel steuern.“ So will er auch als Baumanager in Stuttgart agieren. Auch die Fertigstellung des Elefantenhauses muss Kölpin einem Nachfolger in Erfurt überlassen. In Stuttgart zählt ein neues Gehege für die Dickhäuter zu den wichtigsten Aufgaben, denen er sich widmen will.