An diesem Freitag kommt das neue Album der australischen Band AC/DC heraus. Wie „Rock or bust“ klingt? Es donnert und kracht – aber war’s das?

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Dass dreckige Jobs billig erledigt werden, kommt vor. Das weiß der in der Versenkung verschwundene Bassist Mark Evans, der mit AC/DC das nämliche Album „Dirty Deeds done dirt cheap“ einspielte. Das weiß auch der Schlagzeuger Simon Wright und sein Nachfolger Chris Slade, der nach Meinung des Bandgitarristen Angus Young „der beste Musiker ist, der jemals bei AC/DC spielte“. Kenntnis von den Billigjobs haben auch Larry van Kriedt, Colin Burgess und Dave Evans, der für die australischen Hardrocker immerhin den Klassiker „Can I sit next to you Girl?“ eingesungen hat – womit mit einer Ausnahme alle ehemaligen AC/DC-Mitglieder genannt wären. Ihre Jobs allerdings sind längst so vergessen wie ihre Namen.

 

Nur an eine Ausnahme erinnern sich noch alle. An den Sänger Bon Scott. Einen testosterongesteuerten Rockstar wie aus dem Lehrbuch, der sein Leben 1980 in London im Fond eines französischen Kleinwagens buchstäblich aushauchen sollte. Lang ist das her, aber nun ist bei AC/DC mal wieder gehörig der Wurm drin. Die fünf aktuellen Bandmitglieder, die in dieser Formation seit zwei Dekaden zusammenarbeiten, haben sich zuletzt nämlich entscheidend dezimiert. Ihnen ging der Gründungsgitarrist Malcolm Young verlustig, aus „gesundheitlichen Gründen“, die sich als voranschreitende Demenz herausstellten, was zur Folge hat, dass der 61-jährige Young in einem Pflegeheim lebt, wo er rund um die Uhr betreut wird.

„Dirty Deeds done dirt cheap“: diesen Titel hat aber womöglich auch Phil Rudd zu wörtlich genommen, das zweite jüngst abhandengekommene Bandmitglied. Das trommelnde AC/DC-Urgestein ist kürzlich von der neuseeländischen Justiz festgesetzt worden, weil er Auftragskiller angeheuert haben soll, um einen dreckigen Job erledigen zu lassen. Der Vorwurf ist mittlerweile zwar vom Tisch, angeklagt ist er nun jedoch wegen Morddrohungen und Drogenbesitz. Und dass er sich beim Prozessauftakt am Mittwoch in Wellington clownesk gebärdete und huckepack auf dem Rücken eines Bodyguards aus dem Saal herausritt, hat nichts mehr mit Rock ’n’ Roll zu tun, sondern mit einer gestörten Wahrnehmung der Welt. Am Dienstag wird weiterverhandelt, aber wie auch immer die Sache ausgehen mag: Rudds Rückkehr zur Band ist so gut wie ausgeschlossen.

Keine Wort von Altersheim um Mordanklage

Relativ unverblümt äußerte der AC/DC-Gründer Angus Young , dass die Band schon lange nicht mehr mit ihm klargekommen sei. Young riss in einem Radiointerview sogar Witze über Rudd, während sich der derzeitige Sänger Brian Johnson „über diesen Typen“ wunderte, „der barfuß aus einem Auto gezerrt wurde und aussah wie ein Drogenabhängiger“. Das alles zeigt, wie dünn der Firnis über einer eingeschworenen Männerfreundschaft ist, die schon seit Jahrzehnten anhält.

Kein Wort von Altersheim und Mordanklage findet sich wiederum in der Mitteilung, mit der Sony Music das an diesem Freitag erscheinende neue Album von AC/DC einführt. Stattdessen wird darin die mit 35 Minuten extrem kurze Spielzeit von „Rock or bust“ als „oldschoolig“ verbrämt, und Angus Young darf dies damit erklären, dass man „bei einem AC/DC-Konzert will, dass die Songs Bang! Bang! Bang! hintereinander abgefeuert werden“. Fast könnte man meinen, er sei noch nie bei einem Konzert seiner Band gewesen. Auf der Live-LP „If you want Blood“ findet sich nur ein einziger Song, der kürzer ist als vier Minuten; „For those about to Rock“wird mit 5:43 Minuten auf jedem Konzert gespielt – und ausgerechnet der Gitarrist Angus Young ist es, der live stets zu ausgiebigen Einlagen ansetzt.

Wo bleibt der neckische Blick?

Aber ist das neue Album wirklich „oldschoolig“? Erinnert es an die mythosbegründenden sechs AC/DC-Frühwerke? Nein. Kein Stück tut das! Zu hören gibt’s aufgedonnerten Hardrock im Stil der Post-For-those-about-to-Rock-Tradition, also nicht mehr jenen Rest an Bluesrock, der die ersten sechs Scheiben garnierte, als auch in den Texten noch der neckische Blick auf den Bastrock über den Willen zum Bombastrock triumphierte. Erinnert „Rock or bust“ also an den blassen, in den USA übrigens nur bei Walmart verkauften Vorgänger „Black Ice“ von 2008? Oder an den noch blasseren Vorvorgänger „Stiff upper Lip“? Leider sehr. Die Songs auf dem neuen Album heißen „Rock the House“, „Rock the Bust“, „Got some Rock ’n’ Roll Thunder“ oder – sic! – „Rock the Blues away“, die verhandelten Sujets kreisen um simple Topoi: in der Summe also das kürzeste, variantenärmste und schwächste AC/DC-Album, das jemals veröffentlicht wurde.

Aber wer nach den letzten großen AC/DC-Hits sucht, muss ohnehin lange zurückblättern. „Thunderstruck“ und „Shoot to thrill“ waren das, erschienen auf dem Album „The Razor’s Edge“. Im Jahr 1990. Sei’s drum, demnächst wird es gewiss eine schöne Welttournee geben (in der Gerüchteküche brodelt es schon kräftig), Malcolm Youngs Neffe Stevie wird dann – so viel steht fest – den alten Haudegen ersetzen, und einen neuen Schlagzeuger wird die Band auch mühelos finden. „Wir haben schon viele gute Drummer gehabt“, sagt dazu der meinungsflexible Angus Young.

Zu hören wird es dann vielleicht auch „Ride on“ geben, den schönsten aller vielen schönen AC/DC-Songs, der freilich in ein Zwielicht gerückt wurde dadurch, dass er eine Zeit lang immer im Stuttgarter Fußballstadion als Rausschmeißer gespielt wurde, wenn der VfB verloren hatte. In „Ride on“, einst ausgerechnet auf dem Album „Dirty Deeds done dirt cheap“ erschienen, heißt es: „But I ain’t too young to realize/that I ain’t too old to try.“ So sieht es aus.