Das posthume Album von Amy Winehouse ist erschienen. „Lioness – Hidden Treasures“ schließt auf verblüffende Weise den Kreis eines Lebens.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Am Montag, dem 27. Mai 2002, kreuzte eine gerade einmal 18 Jahre alte britische Sängerin im Tonstudio des Produzenten Salaam Remi in Miami auf, um dort ihr Debütalbum aufzunehmen. Als sie Platz genommen hatte, fragte Remi sie, was sie denn eigentlich vorhabe. Die Sängerin Amy Winehouse packte ihre Gitarre aus, stimmte den Bossa-nova-Standard „Girl from Ipanema“ an – und, so erinnert sich Salaam Remi: „Sie erleuchtete mein ganzes Studio.“

 

Remi, ein Könner seines Fachs, hat schon viele Stars und Sternchen kommen und gehen sehen, doch in diesem Fall war er sich sicher, Teil von etwas zu werden, was so in seinem Tonstudio nicht noch einmal passieren würde. Und fürwahr: als das Debütalbum der jungen Sängerin ein Jahr später auf den Markt kam, horchten viele verblüfft auf angesichts dieser zugleich samten wie röhrend timbrierten Altstimme – einer Stimme, die man so lange nicht mehr gehört hatte.

Es kommt noch besser

Aber Remi sollte noch eines Besseren belehrt werden. Das Album, „Frank“ betitelt, war zwar ein künstlerisch großer Wurf, aber kein kommerzieller Erfolg. Das sollte sich erst drei Jahre später ändern, als Amy Winehouse die grandiose Entscheidung traf, die Dap Kings als Begleitband zu verpflichten und ihr zweites Album „Back to Black“ einzuspielen. Weit über zehn Millionen Exemplare wurden davon verkauft, fünf Grammys hat sie dafür 2008 eingeheimst, die Hits haben aus der Tochter eines Taxifahrers aus dem schäbigen Londoner Vorort Southgate einen glamourösen und millionenschweren Weltstar gemacht. Was für ein modernes Märchen!

Wäre da nicht der fatale Hang zum Ungesunden gewesen, welcher der stets von einer toxischen Aura umgebenen Diva mit der zum Bienenstock getürmten Frisur und den schauderhaften Knasttätowierungen schließlich zum Verhängnis werden sollte. „I told you I was Trouble“ sang Amy Winehouse ja selber schon in ihrem Hit „You know I’m no good“ – und so traurig es klingt: Amy Winehouse hatte einen Teil ihrer Popularität immer auch einer voyeuristischen Öffentlichkeit zu verdanken, die sensationslüstern ihren Nihilismus mitverfolgte. Man hat es kommen sehen, spätestens bei ihrem Konzert im Juni dieses Jahres in Belgrad, als 20 000 Menschen Zeugen des unwürdigen Bühnencomebackversuchs einer lallenden und stolpernden Amy wurden. Aber man war dann doch seltsam überrascht, als am Nachmittag des 23. Juli die Nachricht vom kläglichen Tod der gerade 27-jährigen fragilen Frau um die Welt ging.