Die amerikanische Popsängerin Beyoncé legt ein neues Album vor - mit phänomenaler Stimme zwar, aber nur mit mittelmäßigen Songs.

Stuttgart - Ist das eigentlich noch wichtig, dass da ein neues Album von ihr erscheint? Beyoncé ist doch längst ein Image geworden, ein Bild, wovon die Musik nur noch ein Teil ist. Ein Produkt der Popindustrie, das auf vielen Kanälen Impulse auszusenden scheint und dessen Vorzüge sich viel eher an Pobacken als an Stimmbändern festzumachen scheinen. Mit wem ist sie gerade zusammen, mit wem bahnt sich etwas an, wie viele Grammys konnte sie im Vergleich zu ihren großen Konkurrentinnen einstreichen?

 

Solche Fragen sind doch heiß diskutiert, nicht, welche musikalische Ausrichtung ihre jeweils letzten künstlerischen Äußerungen hatten. Die langjährige Beziehung zum Ober-Rapper, Multimillionär und Plattenboss Jay-Z hat in eine Ehe gemündet. Getrennt. Zusammen. Wieder getrennt? Natürlich ist alles standesgemäß inszeniert und auf das Showgeschäft perfekt abgerichtet. Verkaufen, immer noch mehr verkaufen heißt da die Maxime. Sich selbst, ein Bild, ein Image, eine Anmutung. Wie ein tanzendes Aktienpaket an der New Yorker Wallstreet. Beyoncé Knowles ist eine Selbstläuferin des Erfolgs seit ihren Tagen bei der höchst erfolgreichen Girlgroup Destiny's Child, sie ist ein aus allen Medienkanälen drängendes Bild weiblicher Schönheit und des Sexappeals - da ist die Musik tatsächlich nur noch Beiwerk.

Schlonzige Musik mit einer phänomenalen Stimme

Dabei hätte sie doch eine tolle Stimme: inbrünstig, ausdrucksstark, geschmeidig und strahlend. Was sie damit alles machen könnte: immens. Mit "4" hat sie sie jetzt erst einmal ein neues Doppelalbum gemacht, das ihrem Kerngeschäft ein paar neue Impulse geben könnte. "1 + 1" heißt gleich der erste Titel. Eine Formel, ein Slogan, der alles sagt. Sie schluchzt gar herzerweichend, "I got you" oder "It's me and you, that's all, you have when the World is true" und "Make Love to me".

Die Musik ist schlonzig, synthetische Schleier ziehen über Gitarrenakkorde hinweg und zielen an ein paar Gospelanklängen vorbei, - aber ihre Stimme ist phänomenal. Bei "I care" rumpeln "richtige" unsynthetische Trommeln, sie explodiert gesanglich, und ein "richtiges" Gitarrensolo veredelt den Gefühlsausbruch, den "Lalala"- und "Uhuhuh"-Chöre zusätzlich umspülen. "I miss you" heißt der nächste Titel, und sie haucht "You are the only Energy": eine perfekte Antwort auf männliche Balz.

Party für den Gaddafi-Clan

"Die Aufnahmen zum vierten Solo-Album der Sängerin, Produzentin, Songwriterin, Schauspielerin und Popikone fanden", so heißt es jetzt von ihrer Plattenfirma, "im Zeitraum zwischen Frühjahr 2010 und Frühjahr 2011 statt, als sich die 29-Jährige weitestgehend aus dem Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit zurückzog, um sich ganz auf die Musik zu konzentrieren. In dieser Phase widmete sie sich (nach eigenen Angaben) vorzugsweise den einfachen Dingen des Lebens, verbrachte unter anderem ausgiebig Zeit damit, jede Art von Musik zu hören, die ihr gefällt".

Ob es eingegangen ist in ihre eigene Musik? Ob sie mit solchen Ideen ihren Mitarbeiterstab gefüttert hat, der das Album dann endlos "optimiert" hat? Eine blanke Katastrophe ist ihre Zusammenarbeit mit André 3000 und Kanye West, die sich ausgerechnet in dem Titel "Party" ausdrücken muss. Von Partygefühl ist da gar nichts, der Titel steht unentwegt auf der Bremse und geht nirgendwohin ab. Ob Beyoncé mit solchen Liedern, wie jüngst herausgekommen ist, für eine hohe Gage auch die Party des Gaddafi-Clans so richtig erstklassig in Gang gebracht hat?

Die folgenden Titel versinken vollends in eine völlig steril produzierte Beliebigkeit, aus der einzig ihre Stimme herausstrahlt. "Run the World (Girls)" will da den krönenden Abschluss bilden, soll losgehen, soll zum Abhotten, Abtanzen, Abgehen anregen. Man hat da schon Besseres gehört - um es milde auszudrücken. Sie könnte, sie müsste jetzt einmal mit ihrer Stimme etwas Unerwartetes anfangen, sie müsste mal Gas geben, sie könnte doch wenigstens mal ein bisschen Rhythmus bolzen, sie müsste künstlerisch etwas Neues für sich erschließen. Tut sie aber nicht. Der Erfolg scheint ihr recht zu geben.

Hintergrund: Singen, Modeln, Schauspielern

Destiny's Child Beyoncé Knowles wird im September 1981 in Houston, Texas, geboren. Mit 15 Jahren, 1996, bekommt die Girlsgroup Destiny's Child, die Beyoncé zusammen mit Schulfreundinnen gegründet hat, ihren ersten Plattenvertrag. Das Quartett wird international höchst erfolgreich, trennt sich nach Nummer-Eins-Hits wie "Bills, Bills, Bills", "Survivor" und "Independent Women" aber im Jahr 2005.

Soloprojekte 2003 legt Beyoncé ihr erstes Solo-Album namens "Dangerously in Love" mit dem Hit "Crazy in Love" vor, mit dem sie an die Erfolge ihrer Girlsgroup anknüpft. Es folgen "B'Day" (2006) und "I am... Sasha Fierce" (2008). Heute erscheint "4". 2008 heiratet sie den Rapper Jay-Z. Inzwischen hat sie eine eigene Parfummarke und modelt unter anderem für dem Kosmetikkonzern L'Oréal.

Film 2001 ist Beyoncé Hauptdarstellerin in der MTV-Produktion "Carmen: a hip Hopera". 2002 übernimmt sie die Nebenrolle in der Filmkomödie "Austin Powers in Goldständer". Vier Jahre später wird sie für die Rolle der Deena Jones in der Kinobearbeitung des Musicals "Dreamgirls" erstmals für den Golden Globe nominiert.