Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Der Rest von „Evropi“ ist nicht ganz so düster, aber umso dichter: die überaus beweglichen, perfekt aufeinander aufbauenden Gesangsstimmen und die komplexen, virtuos Elektronisches und Akustisches verwebenden Instrumentalparts spielen sich den Ball zu. Allzu zuckrig-süßes Sie-und-Er-Geschmachte vermeiden die beiden Musiker erfolgreich.

 

Stattdessen erzählt das Album die Geschichte der Familie von Sängerin Eleni Zafiriadou. Deren Uroma wurde einst aus Kleinasien vertrieben; das Album schildert, wie die Familie nach Griechenland uns später nach Deutschland zog. Von dort zieht es die Jüngste der Familie, Eleni Zafiriadou, wieder raus, nach Europa. Was sich jetzt sehr konzeptalbummäßig anhört, ist vielmehr ein loser Faden, eine zweite Erzählebene zu den Songs. Schon aus diesem Grund lohnt es sich, das Album physisch zu kaufen und nicht zu streamen oder herunterzuladen: weil man das alles dank der Erklärung im Booklet viel besser versteht.

Politisch nicht, aber kosmopolitisch

Die Songs seien ein Amalgam aus jahrelangem Touren durch zwei Dutzend europäische Länder, sagen sie; 600 Konzerte von Portugal bis zur Ukraine hätten sie seit 2012 gespielt. Und nein, das Album „Evropi“ zu nennen, sei kein politisches Statement des deutsch-griechischen Musikerpaars in der Griechenlandkrise, betonen die beiden. Klar, dass sie danach gefragt wurden, von der „Welt“ zum Beispiel.

Was das Album natürlich trotzdem ist: ein Statement, wenn schon kein politisches, dann doch ein kosmopolitisches. Eines, das Unterschiede respektiert und aufnimmt. Was das Album nicht ist: ein Stück Musik aus dem Land der Wolfgangs mit Nachnamen Schäuble und Bosbach. „To all the people ‚round the world ... We understand you. But we like you ... but we care“: die Botschaft von Sea + Air aus dem vorletzten Song des Albums würde diesen und anderen Politikern gut zu Gesichte stehen.

In Italien zum Beispiel, sagt Daniel Benjamin, würden die Leute ja auch beim Konzert schwätzen. Fast noch mehr als beim Freikonzert in Stuttgart. „Aber die quatschen dann wenigstens über das, was da passiert und freuen sich lautstark, wenn es ihnen gefällt. In Stuttgart haben wir noch auf der Bühne gehört, was die Leute im Publikum sich von ihren Beziehungsproblemen berichtet haben. Das nervt!“, sagen Benjamin und Zafiriadou.

„Ihr seid zwar scheiße, aber wir spielen trotzdem“

Worauf Sea + Air offensichtlich nicht neidisch sind. Wenn aber das Abnehmen ihrer Instrumente nicht klappt wie beim Freikonzert 2014 auf dem Pariser Platz und ihre Musik für ein (zugegeben geschwätziges) Publikum nicht laut genug aus den Boxen kommt, können sie pampig werden. „Ihr seid zwar scheiße, aber wir spielen trotzdem“, entfuhr es den Musikern damals. Recht hatten sie.

Sea + Air wollen, dass man ihnen zuhört. Man tut das besser aufmerksam, denn „Evropi“ ist kein Album zum Nebenherhören. Wer es trotzdem versucht, wird schnell wieder abschalten: zu komplex sind die Arrangements, zu zapplig stellenweise die Produktion, zu tiefgängig der Mix.

Zum Beispiel die erste Single „Follow Me Me Me“: ein zapplig-elektronisches Ding, der älteste Song auf dem Album. „Der Mix hat uns total fasziniert“, sagt Eleni Zafiriadou. Gemischt hat ihn Tim Bruzon; einige Songs wurden noch von Bernhard Hahn (u.a. von Loretta) gemixt; produziert haben Bruzon und der langjährige Sea+Air-Partner Andreas Stickel.

Bitte streamt dieses Album nicht!

Der Rest von „Evropi“ ist nicht ganz so düster, aber umso dichter: die überaus beweglichen, perfekt aufeinander aufbauenden Gesangsstimmen und die komplexen, virtuos Elektronisches und Akustisches verwebenden Instrumentalparts spielen sich den Ball zu. Allzu zuckrig-süßes Sie-und-Er-Geschmachte vermeiden die beiden Musiker erfolgreich.

Stattdessen erzählt das Album die Geschichte der Familie von Sängerin Eleni Zafiriadou. Deren Uroma wurde einst aus Kleinasien vertrieben; das Album schildert, wie die Familie nach Griechenland uns später nach Deutschland zog. Von dort zieht es die Jüngste der Familie, Eleni Zafiriadou, wieder raus, nach Europa. Was sich jetzt sehr konzeptalbummäßig anhört, ist vielmehr ein loser Faden, eine zweite Erzählebene zu den Songs. Schon aus diesem Grund lohnt es sich, das Album physisch zu kaufen und nicht zu streamen oder herunterzuladen: weil man das alles dank der Erklärung im Booklet viel besser versteht.

Politisch nicht, aber kosmopolitisch

Die Songs seien ein Amalgam aus jahrelangem Touren durch zwei Dutzend europäische Länder, sagen sie; 600 Konzerte von Portugal bis zur Ukraine hätten sie seit 2012 gespielt. Und nein, das Album „Evropi“ zu nennen, sei kein politisches Statement des deutsch-griechischen Musikerpaars in der Griechenlandkrise, betonen die beiden. Klar, dass sie danach gefragt wurden, von der „Welt“ zum Beispiel.

Was das Album natürlich trotzdem ist: ein Statement, wenn schon kein politisches, dann doch ein kosmopolitisches. Eines, das Unterschiede respektiert und aufnimmt. Was das Album nicht ist: ein Stück Musik aus dem Land der Wolfgangs mit Nachnamen Schäuble und Bosbach. „To all the people ‚round the world ... We understand you. But we like you ... but we care“: die Botschaft von Sea + Air aus dem vorletzten Song des Albums würde diesen und anderen Politikern gut zu Gesichte stehen.

In Italien zum Beispiel, sagt Daniel Benjamin, würden die Leute ja auch beim Konzert schwätzen. Fast noch mehr als beim Freikonzert in Stuttgart. „Aber die quatschen dann wenigstens über das, was da passiert und freuen sich lautstark, wenn es ihnen gefällt. In Stuttgart haben wir noch auf der Bühne gehört, was die Leute im Publikum sich von ihren Beziehungsproblemen berichtet haben. Das nervt!“, sagen Benjamin und Zafiriadou.

Nur langweilige Kleinstädter gehen nach Berlin

Angenehm: Sea + Air tragen ihre Unangepasstheit nicht vor sich her. Die beiden leben im Stuttgarter Speckgürtel und sind doch weltgewandter als all die Wahlberliner, die in der Hauptstadt auf den Durchbruch hoffen. „Durchbruch – in dieser Kategorie denken wir nicht“, sagt Daniel Benjamin.

„Klar wäre es geschäftlich gesehen sinnvoll, nach Berlin zu gehen. Aber dort gibt es letztlich zu viele Optionen, und alle Langweiler ziehen aus ihren Kleinstädten dorthin.“ So etwas reizt einen nicht, wenn man in Europa zu Hause ist – egal, wo man gerade zufällig wohnt. „Und außerdem ist Stuttgart viel toller, um eine Tour zu starten.“

Sea + Air stellen ihr am selben Tag erscheinendes Album „Evropi“ am 21. August auf der Waldbühne des Sudhauses in Tübingen vor.


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