Die Diakonie Stetten hat für Wohngemeinschaften in Fellbach ein „Fun2Go“ Parallel-Tandem angeschafft, bei dem Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit geschulten Fahrern radeln und so mehr am Alltag teilhaben. Wir waren bei einer Rundfahrt dabei.
Wenn man das erste Mal dort Platz nimmt, ist es ein ungewohntes Gefühl: Man kann treten, schalten, aber das Lenken, Bremsen, Navigieren – überhaupt alles, was man sonst so vom Radeln gewohnt ist, fällt weg. Man muss loslassen und vertrauen, denn vorne links sitzt die Steuerfrau. Das ist an diesem Nachmittag Yvonne Meinert. Die ausgebildete Heilerziehungspflegerin und Mitarbeiterin der Diakonie Stetten sagt, wo es lang geht und hat die Route voll im Blick.
Von der Wohngemeinschaft in der Schillerstraße geht es in Richtung Fellbacher Schwabenlandhalle. „Der Übergang mit den Schranken ist für uns zu schmal“, sagt Yvonne Meinert. Die beschrankte Überquerung der Stadtbahnschienen für Radler und Fußgänger auf Höhe des Alten Friedhofs ist nichts für das überdimensionierte E-Bike. Daher nimmt sie einen Schwenk, um über die Tainer Straße in die Pfarrer-Sturm-Straße zu kommen. Wir radeln dann auf der Fahrradstraße. Immer wieder winken uns Passanten zu, eine Radlerin überholt uns und schaut etwas verwundert und Neugierde auf das Gefährt, auf dem wir unterwegs sind.
Keine Frage, es ist ungewöhnlich und nicht so oft zu sehen: Das E-Bike mit Zweiradanhängermodul wurde von der Diakonie Stetten dank einer Förderung der Aktion Mensch für den Wohnverbund Fellbach angeschafft. In dem sogenannten „Fun2Go“ können Menschen mit Behinderungen gemeinsam mit geschulten Fahrern Fahrrad fahren und so noch mehr am Alltagsleben teilhaben. Vier Personen haben darauf Platz.
Viele winken den Ausflüglern auf dem Rad zu
Auch der Klient der Wohngruppe in der Fellbacher Straße genießt den um die Nase wehenden Fahrtwind an dem heißen Nachmittag mit mehr als 30 Grad Hitze. Auf dem Rad fühlt sich das alles viel frischer und angenehmer an. Noch mehr genießt der junge Mann die Passanten, die ihm beim Vorbeifahren zuwinken und die freundlichen Gesichter. „Wir haben eine Fangemeinde“, sagt er gut gelaunt, tritt kräftig in die Pedale und strahlt. Auf dem Rad eröffnet sich eine neue Perspektive auf die Stadt. „Wir versuchen, so viel wie möglich auf Radwegen unterwegs zu sein“, sagt Yvonne Meinert. Zwar könnten sie mit dem Gefährt auch auf der Straße fahren, aber ausgewiesene Radwege seien ihr lieber. Das fühle sich besser an.
Das sagt auch die Wohnverbundleiterin der Diakonie Stetten, Joanna Malarz. Auch wenn mancher Radweg recht schmal ist, wie der Richtung Schmiden entlang der Fellbacher Straße, auf dem einige Ein- und Ausfahrten passiert werden müssen.
Manchmal geht es auch einfach über die Felder
Steuerfrau Yvonne Meinert ist auch privat viel mit dem Rad in der Stadt unterwegs, erzählt sie. Sie kennt sich aus damit, was es je nach Route durch die Stadt zu beachten gilt und wie der jeweilige Verlauf ist. „Manchmal fahren wir auch einfach nur über die Felder“, sagt die begeisterte Radfahrerin.
Sie hat wie andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diakonie Stetten an einer Schulung durch den Esslinger Fachhändler „e-motion“ teilgenommen, der diese Spezialräder im Programm hat und sich auch kürzlich beim Radkulturtag in Fellbach präsentiert hat. Neben den Fahrten durch Mitarbeitende der Diakonie Stetten ist es ausdrücklich erwünscht, dass sich Ehrenamtliche finden, die es sich vorstellen können, mit ein, zwei oder drei Menschen mit oder ohne Behinderung die Gegend zu erkunden und Ausfahrten in und um Fellbach zu unternehmen. Voraussetzung für Interessierte, die sich eine Teilnahme am Fahrradprojekt vorstellen könnten, sei, dass sie eine gewisse Regelmäßigkeit anbieten können. Ein Führerschein ist Voraussetzung, eine Affinität zu Fahrrädern wünschenswert, teilt Hannah Kaltarar, die stellvertretende Pressesprecherin der Diakonie Stetten, mit.
Das neue Gefährt ist im Fuhrpark des Wohnverbunds ein großer Gewinn
Natürlich werden die Interessierten auch in die Aufgabe eingeführt, sagt Joanna Malarz. Für die Wohnverbundleiterin ist das neue Gefährt in dem Fuhrpark ein großer Gewinn. Für die Wohngemeinschaften mit ihren rund 80 Klientinnen und Klienten im gesamten Stadtgebiet biete das Fun2Go-Rad einen echten Mehrwert. „Unser neues Fahrrad ermöglicht es, auch alltägliche Aufgaben mit dem Rad zu erledigen und so an der Gesellschaft teilzuhaben“, sagt sie.
Ideen, wo es mit dem Viersitz-Rad hingehen soll, gibt es jedenfalls viele. „Am Sonntag radeln wir nach Oeffingen“, kündigte Yvonne Meinert an. Der Wohnverbund ist bei dem Streuobstwiesenprojekt des Obst- und Gartenbauvereins Oeffingen, das im vergangenen Jahr mit dem Bürgerpreis Rems-Murr ausgezeichnet wurde, mit von der Partie. „Wir haben dort Bäume gepflanzt und nun schauen wir, ob es etwas zu ernten gibt“, sagt sie – „und das verbinden wir mit einer schönen Radtour.“
50 Kilometer Reichweite
Antrieb
Das Fun2Go-Rad ist ausgestattet mit zwei Akkus und hat eine Reichweite von rund 50 Kilometern – je nachdem, mit welchem Anteil an Motorunterstützung beziehungsweise Muskelkraft die Mitradelnden unterwegs sind.
Ehrenamtlich radeln
Wer Interesse an einer künftigen ehrenamtlichen Tätigkeit – natürlich erst nach erfolgter Einführung – im „Fahrradteam“ des Wohnverbunds Fellbach der Diakonie Stetten hat, kann sich gerne per E-Mail an Joanna Malarz, der Wohnverbundleiterin Fellbach, unter joanna.malarz@diakonie-stetten.de wenden.