In der Stadt gibt es eine neue christliche Musikschule, es ist damit nach Ditzingen die zweite im Strohgäu. Die Verantwortlichen sehen einen Bedarf, den reguläre Einrichtungen nicht abdecken würden – Kritiker werfen den Anbietern einen missionarischen Grundgedanken vor.

Korntal-Münchingen - Eine städtische Musikschule gibt es in Korntal-Münchingen seit gut drei Jahrzehnten. Nun bekommt die traditionelle Ausbildungsstätte Konkurrenz: Im Herbst ist, wie erst jetzt bekannt wurde, eine weitere Musikschule namens Tonart an den Start gegangen. Diese unterscheidet sich von der städtischen Einrichtung schon dadurch, dass sie eine dezidiert christliche Ausrichtung hat. „Musik ist eine von Gott geschaffene Gabe“, heißt es im Internetauftritt der Schule: „Es lohnt sich, sie zu gebrauchen und zu fördern.“ Und das hat sich der Zusammenschluss aus dem Korntaler CVJM und der Christlichen Musik- und Kunstakademie (CMKA) mit Sitz in Stuttgart zum Ziel gesetzt.

 

Klavier, Gitarre, Gesang oder Keyboard können auch an der städtischen Musikschule erlernt werden. Den Verantwortlichen der christlichen Musikschule geht es aber um etwas anderes: um die Liedbegleitung im Gottesdienst. „Von den meisten Musikschulen wird das nicht bedient“, sagt Michael Fitz vom CVJM. Deshalb sieht er das neue Angebot auch nicht als Konkurrenz, vielmehr besetze man einen „Nischenmarkt“. Der Bedarf aber sei da: „Viele Leute haben sich so etwas gewünscht“, sagt Christoph Link vom CVJM.

Die Lehrer müssen gläubig sein

Neben den musikalischen Fähigkeiten geht es in der neuen Korntaler Einrichtung, die im CVJM-Haus angesiedelt ist, auch um den Glauben. Zu den „speziellen Fertigkeiten“, von denen Fitz im Zusammenhang mit der kirchlichen Liedbegleitung spricht, gehört auch eine nicht näher definierte „geistliche Haltung“.

Die Lehrer von der CMKA, die auch den Bedarf an Sacro-Pop, das sind geistliche Popsongs, abdecken sollen, sind laut Friedemann Meussling von der CMKA „alle ausgebildete Musiklehrer“: „Eine hohe Qualität ist uns wichtig.“ Gleichzeitig seien sie jedoch auch Christen, die „an den Messias glauben müssen“, so Fitz.

Meussling sagt: „Musik ist ein tolles Medium, etwas zu verkündigen.“ Mit modernen Elementen wie Rap oder Jazztanz wolle man auch Jugendliche ansprechen, „die sonst nicht in Musikschulen wären“, sagt Fitz.

Kritik von Musikschulen

Von den Schülern – zurzeit lernten in Korntal 60 Kinder – erhoffe man sich, „dass sie in den Kirchen eine geistige Heimat finden“, sagt Fitz. Die meisten seien ohnehin schon in einer Gemeinde verwurzelt. Der Glaube werde im Unterricht aber nicht thematisiert, sagt Christoph Link – es sei denn, ein Kind wolle darüber reden. Und Meussling ergänzt: „Es geht nicht um eine offensive Missionierung.“ Ganz unwichtig scheint dieses Element jedoch nicht zu sein, schließlich verfolgt die CMKA schon per Satzung das Ziel, „zur Verkündigung des Evangeliums“ beizutragen.

Für diejenigen, die hinter dem gemeinnützigen Verein stehen, scheint die Mission jedenfalls keine untergeordnete Rolle zu spielen, viele haben einen entsprechenden Hintergrund.

Meussling selbst predigt etwa im umstrittenen evangelikalen Gospel Forum Stuttgart, das unter anderem wegen homophober Tendenzen und vermeintlichen Teufelsaustreibungen in die Kritik geraten ist.

„Da ist das eine ein Vehikel für das andere“, sagt Manfred Frank und bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen Musik und Glauben in christlichen Musikschulen. Der Leiter der Ditzinger Jugendmusikschule hat sich schon vor zwei Jahren kritisch geäußert, als der altpietistische Christliche Gemeinschaftsverband Württemberg (die Apis) in Schöckingen eine ähnliche Musikschule aus der Taufe gehoben hatte. „Die Verquickung von Musikpädagogik und Glauben sehe ich nach wie vor kritisch“, sagt Frank. „Die Kirche gibt einen seriösen Rahmen vor, die Qualität der Ausbildung entspricht dem aber nicht unbedingt.“ Die Lehrer würden sich primär „durch ihren Glauben legitimieren“.

Auch Peter Meincke, der Leiter der Musikschule Korntal-Münchingen, sieht das neue Angebot kritisch, vor allem wegen des „missionarischen“ Hintergrunds. Als direkte Konkurrenz sieht Meincke die christliche Musikschule nicht: „Das ist ein ganz anderer Ansatz.“ Nichtsdestotrotz: „Wenn Eltern ihre Kinder in eine solche Einrichtung schicken, hat es für mich etwas von einer Koranschule.“

Weitere Schulen in Böblingen und Esslingen geplant

Meinckes Kritik entzündet sich auch am Beschäftigungsverhältnis der Lehrer. Diese sind nicht fest angestellt, sondern Honorarkräfte – im Gegensatz zu den städtischen Musikschullehrern. Friedemann Meussling sagt unter Verweis auf die fehlende staatliche Förderung: „Es geht nicht anders.“ Das Ziel sei zwar eine Festanstellung. Das aber sei noch Zukunftsmusik, was mit einem anderen Plan der CMKA zusammen hängt: Man wolle noch weitere christliche Musikschulen in der Region eröffnen, sagt Meussling: „In Böblingen und hoffentlich auch bald in Esslingen.“