Auf dem Flugfeld eröffnet ein Apartmenthotel – und ist gleich ausgebucht. „Wohnen auf Zeit“ liegt im Trend, das Angebot wächst laut dem Hotelverband überproportional. In der Region Stuttgart sind gerade mehrere neue Boardinghäuser geplant.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Zur Eröffnung am Samstag, 1. Februar, reisen 15 Gäste an. Damit ist das Ipartment-Haus erst einmal ausgebucht. Denn die restlichen 132 Mikrowohnungen in dem Neubau auf dem Böblinger Teil des Flugfeldes sind noch nicht ganz fertig. „Wir haben reichlich Anfragen“, berichtet Ralph Stock. In zwei bis drei Wochen könnten alle bedient werden, kündigt der Geschäftsführer des Unternehmens an. Dann sind alle Zimmer eingerichtet, die Sofas geliefert und die Vorhänge aufgehängt. Der Trend zum Wohnen auf Zeit macht sich gerade in der Region bemerkbar: Allein in Stuttgart ist der Bau von vier solcher Apartmenthotels geplant.

 

Der Mieter muss sich um nichts kümmern

Ralph Stock zückt zur Erklärung einen Chip. „Auf dem ist alles drauf“, sagt der 57-Jährige. Er ist der Schlüssel zu einer komplett eingerichteten Wohnung inklusive Toaster, Internetanschluss und alle zwei Wochen eine Reinigung sowie neue Bad- und Bettwäsche. Zwei Mitarbeiter sind im Haus, die sich auf Wunsch noch einen Hemdenbügelservice auftun, Leihfahrräder organisieren oder Pakete annehmen. „Bei uns kann man wohnen, ohne sich um etwas kümmern zu müssen“, erklärt er den Erfolg des Konzepts. Es wird zu 98 Prozent von Geschäftsreisenden angenommen. „Ab und zu ist auch der Ehemann dabei, der herausgeworfen wurde, oder ein Wasserrohrbruch in der Wohnung ist der Grund“, sagt der Geschäftsführer. Das Flugfeld ist ein idealer Standort mit vielen Firmen und einem Konzern in der Nachbarschaft. Die S-Bahn fährt direkt vor der Haustüre ab, Einkaufsmöglichkeiten gibt es auch.

„Es hat als eine Schnapsidee angefangen“, erklärt Ralph Stock den Erfolg seines Unternehmens. Der Rechtsanwalt und sein Mitgesellschafter, der eigentlich eine Werbeagentur betreibt, wollten einst ausprobieren, ob sich in Köln zwei möblierte Wohnungen an Geschäftsreisende vermieten lassen. Es funktionierte gut – so gut, dass sie vor zehn Jahren die Firma Ipartments gründeten und mittlerweile über elf Häuser in ganz Deutschland verfügen. In Frankfurt betreiben die beiden Kölner gleich drei solcher Gebäude, die Auslastung dort liegt bei 95 Prozent. Und die Zahl der Wohnungen soll in den nächsten drei Jahren auf 2000 verdoppelt werden. „Das hat eine unheimliche Dynamik angenommen“, sagt Ralph Stock.

Geräumiger und günstiger als Hotelzimmer

Diese Entwicklung gilt für die gesamte Branche, die laut dem Hotelverband überproportional expandiert. Die Serviced Apartments seien dem Nischencharakter entwachsen, heißt es im „Hotelmarktbericht 2019“. Als Gründe dafür werden die angespannten Wohnungsmärkte in den Städten, die Suche nach neuen Investments sowie neue Geschäftsreisetrends angeführt. Aber „Wohnen auf Zeit“ würde auch für Berufsanfänger, Zugezogene, Studierende oder Städtereisende attraktiv. Die Wohnungen auf dem Flugfeld sind zwischen 20 und 40 Quadratmeter groß und kosten zwischen 1000 und 2000 Euro im Monat. Damit sind sie geräumiger und billiger als die meisten Hotelzimmer. Ralph Stock legt Wert auf eine designlastige, jedoch dezente Einrichtung und hat nichts dagegen, wenn der Mieter eigene Bilder an die Wand nagelt.

Verdopplung des Angebots bis 2021

Ende 2018 bestanden laut dem Hotelverband in Deutschland 620 Häuser mit 36 600 Wohnungen. Bis zum kommenden Jahr werden es rund 59 000 Serviced Apartments in 854 Häusern sein. In Stuttgart baut die internationale Kette Adina im Europaviertel ein Apartment-Hotel. In der Innenstadt, in Zuffenhausen und in Esslingen sollen ebenfalls welche entstehen. „Es ist nicht inflationär, aber spürbar, dass sich der Markt auf das Klientel einstellt“, sagt Armin Dellnitz. Für den Geschäftsführer der Stuttgart-Marketing Gesellschaft ist der Bedarf nachvollziehbar. Manche Hotels würden deshalb sogar umbauen. Das neue V 8 Hotel auf dem Flugfeld hat solche kleinen Wohnungen gleich ins Programm genommen. Aber die Boardinghäuser stünden noch im Schatten der für Stuttgart geplanten Hotelneubauten: Von den rund 3000 Zimmer entfielen weniger als zehn Prozent auf die kleinen Wohnungen, rechnet Dellnitz vor. „Der Markt wird jedoch definitiv bunter.“

Mehr oder weniger Service

Bezeichnung:
Für dieses Marktsegment innerhalb der Hotellerie hat sich der Hotelverband auf den Begriff Serviced Apartments festgelegt. Boardinghouses sei die veraltete Bezeichnung. Der Unterschied zwischen Serviced Apartments und Apartmenthotels liegt im Serviceangebot: In den Hotels werden die Gäste mehr betreut, dort erhalten sie möglicherweise auch Frühstück. Im Unterschied zu einem Hotel ist die Aufenthaltsdauer in den Wohnungen viel länger. Sie liegt im Schnitt bei 26,5 Tagen, in den Häusern von Ipartment bei 3,5 Monaten. Der Hotelgast bleibt in Stuttgart im Schnitt dagegen nur eine Nacht.

Ballungsraum
: Die meisten Serviced Apartments befinden sich in München, Frankfurt am Main und Berlin. Dem Hotelverband zufolge gab es in den drei Städten Ende 2018 mehr als 16 000 solcher kleinen Wohnungen. Das entspricht 45 Prozent des gesamten Angebots in Deutschland.