Vielleicht sind es die Flüchtlingsströme, die das Schicksal von Anne Frank in ein neues Licht rücken. Für das Kino hat Hans Steinbichler die Geschichte von einer, die sterben muss, weil sie die falsche Religion hat, neu erzählt. Nun zeigt das Badische Staatsballett vom 23. April an das Ballett „Anne Frank“.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Karlsruhe - Derzeit sind auf der Welt so viele Flüchtlinge unterwegs wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Sie fliehen vor Verfolgung, Terror und Gewalt aus fernen Ländern wie Syrien, Somalia oder Afghanistan. Vielleicht sind es diese Flüchtlingsströme, die das Schicksal von Anne Frank in ein neues Licht rücken. Für das Kino hat Hans Steinbichler die Geschichte des Mädchens, das sterben muss, weil es die falsche Religion hat, neu erzählt. Nach dem Auftritt auf der Filmleinwand öffnet sich dem Mädchen, das sich 1942 mit seiner Familie in einem Amsterdamer Hinterhaus verstecken muss, eine neue Bühne: Das Badische Staatsballett zeigt vom 23. April an das Ballett „Anne Frank“. Und der junge Brasilianer Reginaldo Oliveira, der seit 2006 als Tänzer in der Kompanie von Birgit Keil ist, nimmt in seiner Choreografie ganz bewusst Bezug auf eine Welt, in der Krieg und Gewalt den Alltag vieler bestimmen Bezug.

 

Eine brutale Welt macht Normalität unmöglich

Durch die deutsche Invasion in den Niederlanden endet der Traum von einem normalen Leben für die jüdische Familie Frank; im Hinterhausversteck flüchtet Anne aus der Beengtheit des Zufluchtsortes, indem sie Tagebuch schreibt, immer in dem Wunsch, es nach dem Krieg zu veröffentlichen. Ihr Traum ist es, Schriftstellerin und Journalistin zu werden, doch sie stirbt 15-jährig im Konzentrationslager. Den Choreografen interessiert über Anne Franks Biografie hinaus, was es für Menschen bedeutet, wenn sie aus ihrer Normalität gerissen werden, weil die Welt um sie herum immer brutaler wird. Während das Mädchen Anne Frank in ihrem Versteck zur jungen Frau werde und auf der Suche nach einer eigenen Identität sei, so Oliveira, finde draußen die größte Flüchtlingsbewegung des 20. Jahrhunderts in Europa statt – Parallelen zur Gegenwart sind durchaus erlaubt.

Die Lektüre von Anne Franks Tagebuch ist für viele junge Menschen die erste Beschäftigung mit der Zeit des Nationalsozialismus. Und so will Reginaldo Oliveira mit seinem Ballett gerade das jüngere Publikum von 14 Jahren an aufwärts ansprechen. Seine Musikauswahl von Dimitri Schostakowitsch über Alfred Schnittke, Lera Auerbach und Max Richter lässt die Atmosphäre zwischen Drama, Hoffnung und Resignation bereits erahnen.

„Anne Frank“ wird das erste abendfüllende Ballett des brasilianischen Tänzers sein, der bislang mit kürzeren Stücken für das Badische Staatsballett auf sich aufmerksam machte, 2010 gab er mit „Attempt“ bei einem Choreografen-Abend in Karlsruhe sein Debüt. Zu sehen ist „Anne Frank“ nach der Premiere am 23. April im Großen Haus des Badischen Staatstheaters in dieser Spielzeit bis zum 19. Juli insgesamt zehn Mal.