Doch auch am Fuß der Achalm sind die Bürger schon weiter als die Politik. So wie in Köln eine Bürgerinitiative den Abriss des Schauspielhaus-Ensembles von Wilhelm Riphahn verhinderte, wie die Bonner gegen die Demolierung der Beethovenhalle von Siegfried Wolske protestieren und die Tübinger die Beseitigung der Zentralmensa von Paul Baumgarten und des studentischen Clubhauses von Rolf Gutbrod abzuwenden versuchen, werden auch in Reutlingen die Rathaus-Planspiele der CDU nicht hingenommen wie Kanzelworte.

 

Um den Einwohnern die Augen zu öffnen, dass es sich bei dem Ensemble keineswegs um Wegwerfarchitektur handelt, zeigt der Reutlinger Geschichtsverein im Rathausfoyer die Ausstellung "Bestandsaufnahme(n)" mit Fotos von Rose Hajdu und Gottfried Planck. Wie sorgfältig geplant, wie gediegen das Haus von Tiedje/Volz bis heute dasteht, kommt vor allem in Hajdus farbigen Detailaufnahmen zum Ausdruck, die den Ist-Zustand dokumentieren: die noble kassettierte Holzdecke des Sitzungssaals, das sägezahnartige Treppenprofil im Foyer des Ratsgebäudes, die Bürowände mit den rahmenlosen Oberlichtern, der spröde Beton, der auf Schritt und Tritt reizvoll mit den geschliffenen Holzoberflächen kontrastiert.

Angenommen wurde das zugige Luftgeschoss nie

Gottfried Plancks historische Schwarz-Weiß-Bilder aus dem Jahr der Einweihung rufen dagegen in Erinnerung, wie die Anlage im "Original" gedacht war: Der Stuttgarter Architekt Max Bächer hat die lockere, unterschiedliche Freiräume ausbildende Komposition von Baukörpern einst mit einem "städtischen Wohnraum" verglichen. Der zwanglose, "direkte Kontakt zwischen Bevölkerung und Verwaltung" bestimme die Haltung der ganzen Planung.

Spurlos ist das halbe Jahrhundert seit seiner Entstehung aber auch am Reutlinger Rathaus nicht vorübergegangen. So wurde in die ursprünglich offene Erdgeschosszone des Ratsgebäudes irgendwann ein Café eingebaut. Im Prinzip wäre dagegen nichts einzuwenden, denn angenommen wurde dieses zugige Luftgeschoss nie. Aber die lieblose Billigkiste, die dem aufgestelzten Ratskubus untergeschoben wurde, ist nicht nur des höchsten Repräsentationsorts der Stadtgesellschaft unwürdig, sie verunklart vor allem auch die räumlichen Beziehungen. Übler noch: sie gibt dem Ratsgebäude eine Rückseite. So guckt man nun ausgerechnet vom Hof mit seinen öffentlichen Gartenanlagen in die gekachelten Hinterzimmer des Gastronomiebetriebs und auf die tote Front des Ratskellers, den der Wirt aus unerfindlichen Gründen leerstehen lassen darf. Die Chance, diese Fehler bei der soeben erfolgten Sanierung des Hauses wieder gutzumachen, wurde leider verpasst.

Geschichtsverein eröffnet Ausstellung

Doch auch am Fuß der Achalm sind die Bürger schon weiter als die Politik. So wie in Köln eine Bürgerinitiative den Abriss des Schauspielhaus-Ensembles von Wilhelm Riphahn verhinderte, wie die Bonner gegen die Demolierung der Beethovenhalle von Siegfried Wolske protestieren und die Tübinger die Beseitigung der Zentralmensa von Paul Baumgarten und des studentischen Clubhauses von Rolf Gutbrod abzuwenden versuchen, werden auch in Reutlingen die Rathaus-Planspiele der CDU nicht hingenommen wie Kanzelworte.

Um den Einwohnern die Augen zu öffnen, dass es sich bei dem Ensemble keineswegs um Wegwerfarchitektur handelt, zeigt der Reutlinger Geschichtsverein im Rathausfoyer die Ausstellung "Bestandsaufnahme(n)" mit Fotos von Rose Hajdu und Gottfried Planck. Wie sorgfältig geplant, wie gediegen das Haus von Tiedje/Volz bis heute dasteht, kommt vor allem in Hajdus farbigen Detailaufnahmen zum Ausdruck, die den Ist-Zustand dokumentieren: die noble kassettierte Holzdecke des Sitzungssaals, das sägezahnartige Treppenprofil im Foyer des Ratsgebäudes, die Bürowände mit den rahmenlosen Oberlichtern, der spröde Beton, der auf Schritt und Tritt reizvoll mit den geschliffenen Holzoberflächen kontrastiert.

Angenommen wurde das zugige Luftgeschoss nie

Gottfried Plancks historische Schwarz-Weiß-Bilder aus dem Jahr der Einweihung rufen dagegen in Erinnerung, wie die Anlage im "Original" gedacht war: Der Stuttgarter Architekt Max Bächer hat die lockere, unterschiedliche Freiräume ausbildende Komposition von Baukörpern einst mit einem "städtischen Wohnraum" verglichen. Der zwanglose, "direkte Kontakt zwischen Bevölkerung und Verwaltung" bestimme die Haltung der ganzen Planung.

Spurlos ist das halbe Jahrhundert seit seiner Entstehung aber auch am Reutlinger Rathaus nicht vorübergegangen. So wurde in die ursprünglich offene Erdgeschosszone des Ratsgebäudes irgendwann ein Café eingebaut. Im Prinzip wäre dagegen nichts einzuwenden, denn angenommen wurde dieses zugige Luftgeschoss nie. Aber die lieblose Billigkiste, die dem aufgestelzten Ratskubus untergeschoben wurde, ist nicht nur des höchsten Repräsentationsorts der Stadtgesellschaft unwürdig, sie verunklart vor allem auch die räumlichen Beziehungen. Übler noch: sie gibt dem Ratsgebäude eine Rückseite. So guckt man nun ausgerechnet vom Hof mit seinen öffentlichen Gartenanlagen in die gekachelten Hinterzimmer des Gastronomiebetriebs und auf die tote Front des Ratskellers, den der Wirt aus unerfindlichen Gründen leerstehen lassen darf. Die Chance, diese Fehler bei der soeben erfolgten Sanierung des Hauses wieder gutzumachen, wurde leider verpasst.

Auch Reutlingen hat ein Stuttgart 21

Der Architekturhistoriker Adrian von Buttlar von der TU Berlin, vom Geschichtsverein zu einem Verteidigungsvortrag über das Rathaus eingeladen, spricht von einem "Gesamtkunstwerk". Nach den Prinzipien der klassischen Moderne sei der "Reutlinger Komplex vom Großen bis ins Kleinste in einem künstlerischen Duktus durchgestaltet". Auf bürgerfreundliche Weise habe die "Demokratie als Bauherr" hier die "administrativen und repräsentativen Funktionen" in einem Komplex zusammengeführt. Ohne den Kontext des Ensembles stünde das Ratsgebäude folglich auf verlorenem Posten, büßte "seinen Sinn und Charakter" ein, käme die partielle Zerstörung einem "Totalschaden" gleich. Die Reutlinger Baubürgermeistern Ulrike Hotz zitierte zur Ausstellungseröffnung den einstigen Reutlinger Oberbürgermeister Oskar Kalbfell: "Dieses Rathaus baut diese Stadt nicht für diesen Gemeinderat, nicht für diesen Bürgermeister und nicht für diese Beamten, sondern für diese Bürger, für heute, morgen und für die ferne Zukunft."

 Die Abrissbefürworter sollten sich daher im Klaren sein, dass es nicht um irgendein beliebiges Verwaltungsgebäude geht, sondern um einen hochsymbolischen Vorgang: Die Vertreter des Gemeinwesens überlassen dem Kommerz in einem Akt der Selbstmarginalisierung das Feld. Als Kollateralschaden hätten sie den Verlust eines städtischen Identifikationsortes auf ihre Kappe zu nehmen. Wen das nicht überzeugt, sollte einen Blick nach Stuttgart werfen, wo der Abriss ebenfalls vermeintlich entbehrlicher Flügelbauten ihm warnendes Beispiel sein könnte.

Die Ausstellung "Bestandsaufnahme(n)" im Rathaus-Foyer dauert noch bis zum 29. April, Mo-Fr zu den Öffnungszeiten des Rathauses.