Die Landkreise im Albvorland gehen einen neuen Weg zur Rettung der Streuobstwiesen. Sie vermarkten Tafelobst. Dadurch bekommen die Erzeuger einen fairen Preis fürs Kilo Apfel.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Sindelfingen - Das Runde muss in das Eckige, das ist nicht nur eine alte Fußballerweisheit, sondern auch das Grundprinzip des Tafelobstes. Jede Frucht muss sorgsam geerntet und in die Obstkiste gepackt werden. Wenn sie Druckstellen hat, ist sie unverkäuflich.

 

Doch die Baden-Württemberger mit dem größten Streuobst-Gürtel weit und breit tun sich schwer, die Früchte ihrer Pflanz-Arbeit zu ernten. Das Obst wird vom Baum geschüttelt, aufgelesen und vermostet, aber die Obst-Annahmestellen zahlen für das Fallobst nur einen Spottpreis. Das Obst für den Esstisch hingegen kommt gewöhnlich aus Argentinien.

Groteske Situation

Eigentlich eine groteske Situation, wo doch die besten Äpfel vor der Haustür wachsen. Mit dem Verein Schwäbisches Streuobstparadies, der im gesamten Albvorland aktiv ist, soll sich das ändern. Wer dem Verein beitritt, der kann eigenes Tafelobst zum Preis von einem Euro pro Kilo abgeben. Dieses Obst wird im Landkreis Böblingen in vier Edeka-Märkten und einem Rewe-Markt verkauft. Die Nachfrage dazu sei groß, sagt der Erste Böblinger Landesbeamte, Martin Wuttke, sogar so groß, dass die Märkte inzwischen mehr verkaufen könnten, als angeliefert werde. Das Landratsamt steuert diese Aktion für den Kreis Böblingen und bezuschusst auch die Mitgliedsbeiträge im Verein.

Bei Dieter Bräuning kommt das Runde nicht nur ins Eckige, sondern zumeist auch ins Runde. Zwar schafft es der Haslacher Bauer und Obstbrenner mit seiner Mannschaft, 40 Kisten Tafelobst in 20 Minuten zu ernten, aber was darüber hinaus auf seinen sechs Hektar wächst, das wird, nachdem es anständig gemaischt und vergoren ist, zu Schnaps gebrannt. Der Vorteil ist, dass er damit auch anderes Steinobst wie Zwetschgen verarbeiten kann und dass die Schnapsbrennerei noch eine relativ hohe Wertschöpfung hat.

Wer eine Streuobstwiese hat, der zahlte bisher drauf.

Die ist bei den Bewirtschaftern der Streuobstwiesen längst nicht mehr gegeben, im Gegenteil, wer eine Streuobstwiese hat, der zahlt drauf. Anfahrt und Anschaffungskosten für die Maschinen schlagen zu Buche, außerdem das Benzin für die Mäher und die Reparaturkosten. Die meisten heutigen Streuobstwiesenbesitzer tun ihre Arbeit nur noch, weil sie das Obst nicht verkommen lassen können, oder weil sie sich der Familientradition verpflichtet fühlen – oder wegen beidem.

Bei einem Pressetermin auf einer Obstwiese in Herrenberg-Haslach am Dienstag hatte sich etliche Prominenz eingefunden. Um die Vermarktung der heimischen Obstsorten zu befördern, war auch eine echte Hoheit angereist: Ihre Majestät Nina Krippentz, die Streuobstkönigin von Böblingen. Mit Diadem und gelber Schärpe brachte sie den Teilnehmen alte Obstsorten näher: den Schweizer Glockenapfel mit seiner ungewöhnlichen Form, die Gewürzluiken mit ihrer feinen Säure und dem festen weißen Fleisch oder die Pastorenbirnen, herrliche große Früchte mit angenehmer Restsüße. In Haslach war auch Manfred Nuber, der Obst- und Gartenbauberater des Landratsamtes Böblingen, dessen Expertise unbestritten ist. Er kennt nicht nur die meisten Obstsorten und hilft bei der Sortenbestimmung, er weiß auch alles über Pflanzung, Haltung und Düngung der Bäume und rät den Obstbauern, für wenig Geld eine Bodenprobe machen zu lassen, um herauszufinden, was das Wachstum hemmt.

Kein Anbauer häuft Reichtümer an

Manfred Nuber weiß auch, dass trotz des Schwäbischen Streuobstparadieses kein Anbauer Reichtümer anhäufen wird. Mit Glück und einer guten Ernte kann er vielleicht an einem Baum 100 Euro verdienen. Damit kommt er zumeist auf die Schwarze Null. Aber dieses Ergebnis ist schon viel besser für die Bewirtschafter der Streuobstwiesen als die roten Zahlen, die sie seit vielen Jahrzehnten schreiben.