Die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst wird deutlich ausgeweitet. Das koste viel Geld, sagen CDU und FDP. Das Gesetz zur Personalvertretung wurde im Landtag mit der grün-roten Mehrheit beschlossen.

Stuttgart - Erst auf den Schlussmetern hat die Opposition im Landtag ihren Bedenken gegen das Gesetz für mehr Mitbestimmung im öffentlichen Dienst Nachdruck verliehen – und blieb damit wirkungslos. Am Mittwoch beschloss das Landesparlament mit den Stimmen der grün-roten Koalition das neue Landespersonalvertretungsgesetz. „Unser Ziel ist es, die Personalvertretungen zu stärken“, sagte Innenminister Reinhold Gall (SPD).

 

Nach seinen Worten weitet das neue Gesetz die Mitsprache der Personalräte etwa bei der Personalentwicklung, bei der Arbeitsorganisation oder beim Gesundheitsmanagement aus. Es werden Wirtschaftsausschüsse eingerichtet, die Amtszeit der Personalräte beträgt fortan fünf statt vier Jahren. „Die Arbeit der Verwaltung wird nicht erschwert, sondern erleichtert“, betonte Gall. Umstritten ist aber vor allem die höhere Zahl der Freistellungen für Personalräte. So mussten Behörden bisher erst ab einer Zahl von 601 Mitarbeitern einen vollständig frei gestellten Personalrat einrichten, künftig reichen 301 Beschäftigte. Einbezogen werden laut Gall auch Minijobber und Leiharbeiter. Mehrkosten entstünden nicht: „Die Freistellungen der Personalräte müssen von den Ressorts geschultert werden.“

Die CDU fürchtet teure Folgen für öffentliche Haushalte

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Thomas Blenke, befürchtet hingegen „uferlose Folgen für die öffentlichen Haushalte“. Er verwies auf die am Vortag von der Koalition beschlossenen Einsparauflagen für den Doppelhaushalt 2015/2016: „Jetzt geben sie das Geld schon wieder aus.“ Er erinnerte an die 200 Lehrerdeputate, welche die Verdoppelung der Freistellungen allein im Schulbereich erfordere. Die CDU beantragte im Parlament, den Abbau von 11 600 Lehrerstellen bis zum Jahr 2020 um jene 200 Deputate zu verringern. Dies lehnte Grün-Rot ab.

Den Beteuerungen der Landesregierung, die Mehrkosten würden an anderer Stelle von den Ministerien aufgefangen, wollte auch der FDP-Abgeordnete Ulrich Goll keinen Glauben schenken. Er warf der Landesregierung vor, mit der Vermehrung der Freistellungen die Arbeitsbedingungen der anderen Beschäftigten zu verschärfen, da sie zusätzliche Arbeit übernehmen müssten. Wolle Grün-Rot dies verhindern, bedürfe es weiteren Personals. „Damit verschärfen sie die Situation im Landeshaushalt.“ Goll sprach von einer „Verbeugung vor den Gewerkschaften“. Das Gesetz nannte er „überflüssig und sauteuer.“

Eine Verdoppelung der bisherigen Freistellungen

Der CDU-Abgeordnete Manfred Hollenbach bezifferte den zusätzlichen Personalbedarf in der Landesverwaltung auf 400 bis 500 Stellen. Das bedeute eine Verdoppelung der bisherigen Freistellungen. Der Landesrechnungshof hatte schon im Januar von einer Verdoppelung der Personalkosten von 47,5 Millionen Euro auf 95 Millionen Euro gewarnt. Im Gesetzentwurf heißt es dazu, Mehrkosten könnten entstehen, seien aber nicht zu beziffern. Innenminister Gall sagte: „Der Wert der Mitbestimmung ist nicht messbar.“

Nikolaos Sakellariou von der SPD verteidigte die Reform gegen den Vorwurf, sie sei wirtschaftsfeindlich. Der öffentliche Dienst habe sich dem Problem des Arbeitskräftemangels zu stellen. Mehr Mitbestimmung erhöhe die Attraktivität. „Wir wollen mehr Mitbestimmung, mehr Beteiligung, mehr Personalräte.“ Der Grünen-Abgeordnete Manfred Lucha warf der Opposition vor, sie denke „in der Tradition des junkerlichen Hoheitsstaates“, die Koalition hingegen denke in den Kategorien der Bürgerdemokratie. Was die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst angehe, habe Baden-Württemberg bisher zusammen mit Bayern das Schlusslicht gebildet. Das Gesetz führe zur Modernisierung der Verwaltung, was langfristig die Kosten reduziere.

Der DGB äußert sich wohlwollend

Der DGB äußerte sich wohlwollend zu der Reform. Die DGB-Vize Gabriele Frenzer-Wolf sagte, von einer besseren Betriebskultur profitierten die Dienststellen ebenso wie die Beschäftigten. „Viel zu lange wurde nur auf den Nutzen von mehr Mitbestimmung im öffentlichen Dienst geschaut.“ Andere Bundesländer hätten noch bessere Regelungen vorzuweisen. Doro Moritz, die Landesvorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, sagte: „Wer in der Gesellschaft, im öffentlichen Dienst und in den Schulen die großen Herausforderungen meistern will, muss die Beteiligung der Beschäftigten verbessern.“

Die Opposition im Landtag warf der Regierung auch vor, das Gesetz im Schnellgang durchs Parlament gepeitscht zu haben. Innenminister Gall erwiderte, CDU und FDP hätten genug Zeit gehabt. „Auch in den Ferien und in der Sommerzeit ruht die Rechtssetzung nicht.“