Seit dem 1. Juli gilt das neue Prostituiertenschutzgesetz. Nur liegen Ausführungsrichtlinien des Landes noch nicht vor. Und Städte wie Landkreise kritisieren heftig, für die Umsetzung des neuen Gesetzes sei zu wenig Personal vorgesehen. Nach jetzigen Stand sei das neue Gesetz eine „Billigheimerlösung“ mit bloßen Symbolwert.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Es hat gedauert, aber nun liegt der Kabinettsentwurf für das Ausführungsgesetz des Landes zum neuen Prostituiertenschutzgesetz vor. Von Begeisterung bei denen, die das neue Bundesgesetz zum stärkeren Schutz von Prostituierten bei Städten und Landkreisen ausführen sollen, ist aber keine Spur. Es geht, wie so oft, ums Geld.

 

Dorothea Koller, die Leiterin des Stuttgarter Ordnungsamts, spricht zurückhaltend von „unzulänglicher Finanzierung“. Martin Priwitzer, der beim Stuttgarter Gesundheitsamt für das Thema zuständig ist, scheint schon mal froh zu sein, dass der Gesetzesentwurf des Landes überhaupt vorliegt. „Nun haben wir endlich einen Rahmen, in dem wir uns bewegen können.“ Doch wenn er sich die Ansätze des Landes für das Personal anschaut, das die Anmeldung der Prostituierten, die Gesundheitsberatung und die Prüfung der Bordellbetreiber vornehmen soll, stellt er fest: Da habe man den Bedarf wohl „auf ein Minimum heruntergerechnet“. Die Frage sei, so der Arzt: „Will man das Ganze nur verwalten? Oder geht es um den Schutz der Prostituierten?“

Sozialpädagogen und Dolmetscher nicht vorgesehen

Die Stuttgarter stehen mit ihrer Kritik nicht alleine. Alexis von Komorowski, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, wird noch deutlicher. Was das Land als Ausgleich für die zu erwartenden Personalaufwendungen von Städten und Gemeinden bei der Umsetzung des Gesetzes vorsehe, „hat uns erstaunt beziehungsweise empört“. Von Komorowski spricht von einer „nicht akzeptablen Billigheimerlösung“. Wenn man sich den vorgesehenen Personaleinsatz anschaue, könne man den Eindruck gewinnen, es gehe nur um Leute für die Führerscheinstelle. „Sozialpädagogen sind in dieser Berechnung gar nicht drin“, sagt Alexis von Komorowski. Ärztliches Personal, wie man es in Stuttgart für wichtig hält, schon gar nicht. „Völlig übersehen“ habe man offenbar, dass der größte Teil der Prostituierten aus Osteuropa stamme und mindestens 80 Prozent der Frauen wenig bis gar kein Deutsch sprächen. „Da braucht man Dolmetscher“, betont von Komorowski. „Mit Dolmetscher braucht man doppelt so lange“, sagt der Amtsarzt Martin Priwitzer zum Personalbedarf.

Auch Gerhard Mauch, der zuständige Dezernatsleiter beim baden-württembergischen Städtetag, vertritt diese Auffassung. Als „wirklichkeitsfremd“ bezeichnet er die bisherigen Pläne des Landes. Sollte sich daran nichts ändern, erklärt Mauch, wäre das neue Gesetz ein Fall von „Symbolpolitik“. Dabei sei das Problem nicht das fachlich zuständige Sozialministerium. „Das Finanzministerium braucht eine Bewusstseinserweiterung“, so Mauch. Für Alexis von Komorowsik steht fest: Wenn das Land nicht „ordentlich nachbessert“, erfülle das Gesetz seinen beabsichtigten „Schutzzweck“ nicht.

Inzwischen hat sich Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne) in der Sache geäußert und angesichts der „höchst komplexen Aufgabe“ über die „knappe Umsetzungsfrist des Bundes an die Ländern“ geklagt. Bei der Kondompflicht für Freier etwa habe der Bund noch keine Hinweise gegeben, wie diese überwacht werden solle, so Lucha. Das Land müsse nun „ein schlecht gemachtes, hektisch zusammengestricktes und sehr bürokratisches Bundesgesetz so umsetzen, dass es wirklich dem Schutz der Prostituierten dient und nicht das Gegenteil bewirkt“.

In der Übergangszeit – das Ausführungsgesetz soll bis im Herbst fertig sein – will das Land die Aufgaben übernehmen, die Kommunen und Kreisen zugedacht sind. Man verweist auf seine Homepage, wo Informationen und Kontaktadressen zu finden sind.