Gute Nachrichten für Gourmets: Anfang 2024 eröffnet in Stuttgart ein neues Edelrestaurant. Die Maultaschen sind im Murrhardter Hof endgültig passé, dafür zieht mit Denis Jahn Haute Cuisine ein. Der Koch war zuletzt Küchenchef im mit einem Michelin-Stern dekorierten Restaurant La Vallée Verte in Hessen. Laesâ heißt sein neues Lokal immerhin, eine urtümliche Bezeichnung für die Linse. Sein Ziel ist es, „den alten Charme des Gebäudes mit einer neuen, puristischen Küche und perfektem Service auf höchstem Niveau“ zu vereinen. Damit macht der 43-Jährige auch die Eigentümer glücklich, für die die Spitzenküche „eine Rückkehr zum guten, alten Handwerk“ ist, erklärt Paul Berger, dessen Urgroßvater im Murrhardter Hof einst eigenen Wein ausschenkte. Erste Kostproben von Laesâ soll es bald geben.
Investoren unterstützen die Selbstständigkeit
Denis Jahn kommt mit den besten Voraussetzungen nach Stuttgart, obwohl er mit der Stadt bislang keine Berührung hatte. Schwäbische Gäste haben ihn von seinem alten Arbeitgeber im Hotel Schloss Hohenhaus abgeworben und in den Südwesten gelockt – mit der Bereitschaft, in seine Selbstständigkeit zu investieren. Das Modell ist nicht ungewöhnlich, anders als bei der Speisemeisterei, die zur Fellbacher Immobilienfirma Wohninvest gehört, wollen die Geldgeber von Laesâ anonym bleiben. Ihr Koch bringt hochklassige Erfahrung mit: Insgesamt 15 Jahre war er bis 2021 im damals noch mit drei Sternen dekorierten Restaurant Vendôme im Schlosshotel Bensberg tätig, von 2004 bis 2009 arbeitete er in der gleichermaßen ausgezeichneten Schwarzwaldstube in Baiersbronn. Nur sein Engagement im La Vallée Verte fiel mit rund einem Jahr kurz aus. Dort teilte er sich die Chefposition in der Küche mit dem Hoteldirektor Peter Niemann. Als „ein echter Glücksgriff“ wurde Denis Jahn von der Lokalzeitung zum Einstieg gefeiert. Das Team verteidigte im April den Michelin-Stern, die Tester lobten „die ausbalancierten Gerichte voller Finesse und Intensität“.
Ein Glücksgriff für Stuttgarter Feinschmecker?
Jetzt will der 43-Jährige zum Glücksgriff für die Stuttgarter Feinschmecker werden – und sich selbst verwirklichen. „Die Region ist wirtschaftlich interessant und hat viel Potenzial, um eine neue, kulinarische Pilgerstätte zu etablieren“, erklärt er. Denn eine solche soll der umgetaufte Murrhardter Hof werden. München wäre für ihn angesichts der dortigen Konkurrenz beispielsweise keine Option für den Neustart gewesen. Wobei in Stuttgart momentan viel Dynamik steckt, obwohl mit dem Olivo und der Zirbelstube in der Coronapandemie zwei Gourmetadressen verloren gingen: In den vergangenen vier Jahren wurden die vier Restaurants Hupperts, Zauberlehrling, Ritzi und Hegel Eins mit einem neuen Stern bedacht, die Speisemeisterei erhielt den zweiten. Mit dem New Josch auf dem Killesberg gibt es eine weitere hochkarätige Neueröffnung.
Eine eingespielte Mannschaft siedelt mit nach Stuttgart um
Denis Jahn spricht von „Sternen“, die er sich im Laesâ verdienen will. „Aber wir sind demütig“, ergänzt er schnell, „das braucht viel Arbeit und seine Zeit.“ Als erste Etappe nimmt er sich vor, das beste Restaurant am Wilhelmsplatz zu werden. Sehr hilfreich für den Plan ist, dass er eine eingespielte Mannschaft mit vier Mitarbeitern mitbringt, die ebenfalls für das Projekt nach Stuttgart umsiedeln. Bis zur Eröffnung wollen sie in Pop-up-Lokalen einen Vorgeschmack auf ihr Können geben. Der unter Denkmalschutz stehende Murrhardter Hof muss erst aufwendig renoviert werden. Das Fischgrat-Parkett, die Eckbänke und die Holzvertäfelung bleiben, die Küche soll vergrößert und geöffnet werden, damit die Gäste dem Koch bei der Arbeit zusehen können. Geplant sind nur 20 Plätze in dem geräumigen Saal.
Die Eigentümer des Hauses sind begeistert
„Wir sind mega begeistert“, sagt Paul Berger über seine neuen Pächter. Vom alten Ruhm des Lokals zeugen noch die Markisen: „Maultaschen und Kartoffelsalat wie bei Oma“ versprach darauf Burhan Sabanoglu, der von 2006 an mit seiner schwäbischen Küche die Gäste anzog. Die vor fünf Jahren folgende Weinhalle konnte an die Erfolge nicht anknüpfen. Dass zu den Linsen künftig keine Spätzle mehr serviert werden, können die Eigentümer verschmerzen. „Wir haben genau nach jemandem gesucht, der das Alte wertschätzt und eine Küche auf hohem Niveau bietet“, sagt Paul Berger. Das Konzept von Denis Jahn passt seiner Meinung nach hervorragend zur Geschichte des Hauses, das eine Bäckergilde 1896 baute, um dort ihre Gesellen unterzubringen. „Es tut der Ecke gut und es tut Stuttgart gut“, findet er.
Vom „Zum Alten Dessauer“ in den Murrhardter Hof
Im April 1920 übernahm sein Urgroßvater Heinrich Sträb das Gebäude – er war der Kronenwirt aus Murrhardt. Er habe vermutlich Stuttgarts erste Probierstube für Wein eröffnet, berichtet Paul Berger. Seine eigenen Tropfen bot er den Gästen an. Sie lagerten in Holzfässern im Gewölbekeller, wo nun die Weinflaschen für Laesâ gestapelt werden sollen. Auf ihn folgte sein Sohn Albert, die Mutter von Paul Berger half als Kind in der Wirtschaft mit. In den 1980er Jahren gaben die Nachfahren der Sträbs die Gaststätte ab. Auch Denis Jahn ist als Kind einer Gastronomenfamilie aufgewachsen: „Zum Alten Dessauer“ hieß das Restaurant seiner Eltern in Schönebeck bei Magdeburg, was durchaus ähnlich wie Murrhardter Hof klingt.