Bevormundung oder Befreiung - das Landeshochschulgesetz wird von Opposition und Koalition völlig unterschiedlich gelesen. Ministerin Bauer wirft CDU und FDP vor, jede Veränderung als Ideologie zu bekämpfen.

Bevormundung oder Befreiung - das Landeshochschulgesetz wird von Opposition und Koalition völlig unterschiedlich gelesen. Ministerin Bauer wirft CDU und FDP vor, jede Veränderung als Ideologie zu bekämpfen.

 

Stuttgart - Die Hochschulen im Südwesten erhalten eine neue Verfassung. Die Opposition stimmte am Donnerstag bei der Verabschiedung des neuen Hochschulgesetzes im Landtag gegen die Novelle, weil sie ideologisch motiviert und wirtschaftsfeindlich sei sowie Freiräume und Autonomie der Hochschulen einschränke. Mit dem Abschied vom Leitbild der unternehmerischen Hochschule störe Grün-Rot den wichtigen Dialog zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, betonte Wissenschaftsexpertin Sabine Kurtz (CDU) in Stuttgart.

Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) bezweifelte, dass die Opposition wirklich mit Vertretern der Wirtschaft gesprochen habe. Denn diese unterstützen die Novelle, die Ausfluss eines breiten und langen Beteiligungsprozesses sei, in den Hochschulen, Studenten und Hochschulräte eingebunden gewesen seien.

Nach Ansicht des SPD-Abgeordneten Martin Rivoir ist das Gesetz in vielen Bereichen wirtschaftsfreundlich. Als Beispiele nannte er eine stärkere Ausrichtung der Hochschulen auf Weiterbildung und große Entscheidungsbefugnisse für die Hochschulräte. Die neue Möglichkeit zur Promotion an Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) biete zudem Chancen für Spitzenforscher, die der Mittelstand brauche.

FDP: Transparenzregeln sind "standortschädigend"

CDU und FDP sind vor allem die Transparenzregeln bei Projekten der Drittmittelforschung ein Dorn im Auge. Sie säten Misstrauen zwischen Hochschulen und Betrieben und seien deshalb „standortschädigend“, meinte Friedrich Bullinger (FDP). In der Folge würden Unternehmen weniger bereit seien, Forschung durch Drittmittel zu unterstützen.

Der Liberale kritisierte auch die Regelung zum sogenannten Open Access als urheberrechtlich problematisch. Diese besagt, dass die Hochschulen ihr Wissenschaftler verpflichten sollen, ihre Arbeiten zwölf Monate nach der Erstveröffentlichung frei zugänglich zu machen - etwa auf dem Internetportal ihrer Hochschule.

Bauer betonte, dass ohne eine solche Regelung die öffentliche Hand zweimal zur Kasse gebeten werde: Erstens bezahle sie die Forscher; zweitens müssten die Hochschulen deren Erkenntnisse durch das Beziehen teurer wissenschaftlicher Zeitschriften Studenten und Mitarbeitern zugänglich machen. Manche Universitäten könnten sich das nicht mehr leisten. Die kostenlose Zweitveröffentlichung befördere den Diskurs und damit den wissenschaftlichen Fortschritt. Christdemokratin Kurtz lobte, dass in die Ausformung der neuen Experimentierklausel für Promotionen an HAW-Verbünden die Universitäten einbezogen würden. Diese sehen das Vorhaben skeptisch. Bullinger forderte als nächsten Schritt ähnliche Möglichkeiten auch für die Duale Hochschule Baden-Württemberg.

Jetzt kommt es aus Bauers Sicht in den Verhandlungen über den Solidarpakt III darauf an, dass die Hochschulen die ihnen per Gesetz gewährten Freiheiten auch leben könnten. Dafür sei eine auskömmliche Grundfinanzierung nötig. Die Ministerin versicherte: „Dafür werden wir streiten.“