Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags äußert Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der bundesweit geplanten nächtlichen Ausgangsbeschränkung. Auch die fehlende Ausnahme für Geimpfte wird kritisiert.

Berlin - Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der im neuen Infektionsschutzgesetz geplanten nächtlichen Ausgangsbeschränkung. Diese sei „kritisch zu bewerten“, heißt es in einem aktuellen Gutachten, das der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. „Ob sie einer abschließenden verfassungsgerichtlichen Prüfung standhielte, dürfte zweifelhaft sein“, heißt es darin weiter.

 

In dem Gutachten wird außerdem kritisiert, dass die Änderung des Infektionsschutzgesetzes, die am Freitag in erster Lesung vom Bundestag beraten wurde, keine Ausnahmen für Geimpfte vorsieht. Diese müssten ergänzt werden. Verfassungsrechtler verträten „ganz überwiegend (falls nicht sogar einhellig) die Auffassung, dass Grundrechtseingriffe für Geimpfte grundsätzlich nicht mehr zu rechtfertigen sind“.

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Die Ausgangsbeschränkungen und weitere Maßnahmen sollen dem Gesetzentwurf zufolge automatisch greifen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen innerhalb von einer Woche über den Wert von 100 je 100 000 Einwohner steigt.

Wirksamkeit einer Ausgangssperre noch immer umstritten

Der Wissenschaftliche Dienst weist darauf hin, dass die Wirksamkeit einer Ausgangssperre noch immer umstritten sei. Dies könne man dem Bundesgesetzgeber grundsätzlich nicht anlasten. „Insoweit ließe sich eine befristete Ausgangssperre auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit begründen.“ In dem Gutachten wird jedoch die Angemessenheit des Schwellenwertes von 100 infrage gestellt. Dieser dürfte „zu niedrig angesetzt sein“, heißt es darin.

Der Wissenschaftliche Dienst vertritt in dem Gutachten zugleich die Auffassung, dass der Gesetzgeber in der aktuellen Krisensituation die Pflicht habe, zum Schutz der Bevölkerung tätig zu werden. „Dabei hat er einen großzügig zu bemessenden Gestaltungsspielraum.“