Die Grünen-Fraktion im Gemeinderat fordert von der Verwaltung ein umfassendes Verkehrskonzept für den Marienplatz. Die Radfahrer sollen nicht mehr über den Platz fahren und damit nicht mehr die Fußgänger kreuzen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Ein Mittwochnachmittag Ende Oktober am Marienplatz. 16 Uhr die Dämmerung setzt bereits ein. Der Wochenmarkt geht langsam zu Ende, die Beschicker packen ihre Waren zusammen. Die ersten Stuttgarter machen Feierabend. Jeder will möglichst zügig nach Hause – ob zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto. Rund um den Marienplatz treffen sie sich alle. Die Hauptradroute eins führt dort entlang in Richtung Tübinger Straße. Auf dem Platz sind um die Zeit immer zahlreiche Fußgänger unterwegs, die zusammenstehen und reden oder eilig in Richtung Zacke, Stadtbahn oder Bushaltestelle laufen. Manche springen erschrocken zur Seite, wenn ein Radler vorbeirast.

 

Radler fahren direkt in die Fußgänger rein

Besonders schlimm findet die Stadträtin Christine Lehmann die Situation vor dem kleinen Rewe, an dem die Hauptradroute vorbeiführt. „Die Radler fahren direkt in die Fußgänger rein, die dort ebenfalls an der Ampel warten“, sagt die Grünen-Politikerin. Viele würden den Fußgängerüberweg mit Ampel auch diagonal kreuzen, weil sie nicht über den Marienplatz weiterfahren wollen, sondern auf der Straße. „Das ist scheiße, diese Situation“, sagt Lehmann. Ihr geht es in diesem Fall ausdrücklich um das Wohl der Fußgänger. „Ich kritisiere an der Stelle durchaus auch die Radler“, sagt Lehmann, die den Blog „Radfahren in Stuttgart“ betreibt. Ihr erster Wunsch: Die Hauptradroute sollte auf die parallel verlaufende Böblinger Straße verlegt werden. „Das wünschen sich auch die Radfahrer“, weiß Lehmann. Viele nutzen die Böblinger Straße ohnehin schon als ihre Hauptradroute – inoffiziell eben. Vor allem Radler, die stadtauswärts unterwegs, fahren direkt von der Tübinger in die Böblinger Straße – statt den Umweg über das Sträßchen zwischen Rewe und Burger King zu nehmen.

Dem Chaos will die Grünen-Fraktion unbedingt Einhalt gebieten. In einem Antrag fordern die Politiker ein umfassendes Verkehrskonzept für den Marienplatz. Die Verwaltung soll rund um den Marienplatz den „Radverkehr vom Fußverkehr trennen und die Radfahrer möglichst zügig über die Fahrbahn“ führen. Ein Wunsch der Grünen ist auch, die Hauptradroute ganz offiziell über die Böblinger zur Tannenstraße zu leiten.

Auch Anna Deparnay-Grunenberg sieht den Marienplatz in der Hand der Fußgänger. Ältere Damen kommen aus dem Rewe mit ihrem Caddy, Spaziergänger mit Hunden passieren den Platz, vor den Restaurants halten sich viele Menschen auf, um zu flanieren, sagt die Grünen-Stadträtin. Der Radverkehr dort sei nicht optimal. Und: „Dass die Hauptradroute über dieses Gässchen am Rewe führt, finde ich schräg.“

Verbreiterung soll erst mit einem neuen Konzept kommen

Bereits beschlossen ist, den Fußgängerüberweg zwischen Supermarkt und Marienplatz zu verbreitern. Das soll geordnetere Verhältnisse schaffen. Die Grünen möchten dies nun hintanstellen. Davon hält der Bezirksvorsteher Raiko Grieb aber überhaupt nichts. Er wünscht sich die Verbreiterung noch in diesem Jahr. „Das ist auch für die Radler ein Vorteil“, sagt Grieb. Die Erarbeitung eines komplett neuen Verkehrskonzeptes dauert ihm zu lange.

Denn solange der Hauptradweg in der Möhringer Straße bleibe, komme es immer wieder zu „Koordinationsleistungen“ von allen Verkehrsteilnehmern an dem Übergang. „Wir müssen zuerst den Weg verbreitern, dann kann ein Verkehrskonzept kommen“, betont er. Diese Ansicht teilt auch Thomas Chakar vom städtischen Tiefbauamt. Die Konflikte an dieser Stelle seien schon lange bekannt. Er sehe die Verbreiterung unabhängig von einem umfassenden Verkehrskonzept als Verbesserung an. „Das tut den Radlern und den Fußgängern gut“, ist er überzeugt. Einen separaten Radstreifen wird es allerdings nicht geben. „Es bleibt eine Spur für alle“, ergänzt Chakar.

Den Grünen ist das alles zu wenig. Langfristig gesehen haben sie damit vermutlich recht. Denn nur einige Meter weiter an der Ecke Böblinger Straße/Marienplatz ist die Situation für Fußgänger ebenfalls sehr unübersichtlich. Dort kommen Autos aus drei verschiedenen Richtungen, einen gesicherten Überweg für Fußgänger gibt es nicht.

Eine blinde Bürgerin bemängelte genau dies bei einem Fußverkehrscheck, welcher Ende Oktober im Rahmen eines Landesprojektes im Süden stattfand. „Ich habe an der Stelle Angst und nehme deshalb längere Wege in Kauf.“ Damit stieß sie vor allem bei Arne Seyboth vom Amt für Stadtplanung und Stadterneuerung auf Verständnis. „Bisher haben wir noch keine konkreten Überlegungen zu der Stelle, aber wir werden welche anstellen. Das gefällt mir hier nicht“, kündigte Seyboth bei dem Rundgang durch den Süden an.