US-Regisseur Wes Anderson hat hier mit vielen Promis sein „Grand Budapest Hotel“ gedreht. Als authentische Kulisse für Filme macht sich Görlitz an der deutsch-polnischen Grenze immer mehr einen Namen.

Görlitz - Ein imposanter Lichthof, den eine glamouröse farbige Glaskuppel krönt. Darunter eine freitragende Treppe, die in drei Etagen zu den großzügig umlaufenden Galerien hinaufführt. Eben jene Jugendstileleganz hatte der US-Regisseur Wes Anderson immer gesucht, als er Pläne für sein jüngstes Kinowerk „The Grand Budapest Hotel“ schmiedete. Fündig wurde er weit im deutschen Osten – in der Grenzstadt Görlitz. Dessen etwa 100 Jahre altes Kaufhaus geriet Anderson zur authentischen Kulisse für die abenteuerlich-schräge Geschichte über die Freundschaft zwischen einem legendären Hotelconcierge und seinem Günstling.

 

„Grand Budapest Hotel“ wurde hier gedreht

Gedreht wurde Anfang 2013 wochenlang, mit internationalen Stars wie Ralph Fiennes, Jude Law, Adrien Brody und Jeff Goldblum. Jüngst holte der Film einen Silbernen Bären auf der 64. Berlinale, nachdem er bereits das Festival eröffnet hatte. Seit März ist „The Grand Budapest Hotel“ auch in den deutschen Kinos – doch vor allen anderen Zuschauern sahen ihn die Görlitzer. Denn bei einer Vorpremiere an der Neiße lief er für 700 Besucher in allen fünf Sälen des städtischen Kinos. Die Filmverleihfirma wollte dies als ein Dankeschön an die Görlitzer verstanden wissen – und diese fanden sich ein Mal mehr in ihrem Ruf als die Bewohner „Görliwoods“ bestätigt. Denn eine ähnliche Voraufführung erlebten sie bereits 2009 mit dem Streifen „Der Vorleser“, der ebenfalls zum großen Teil in Görlitz mit großen Stars gedreht wurde. Die US-Schauspielerin Kate Winslet erhielt für ihre Rolle sogar einen Oscar.

Mittlerweile wirbt die ostsächsische Kreisstadt ganz offiziell mit der Marke „Görliwood“. Und das ist wohl nicht überzogen. Denn zuvor erlebten die Görlitzer bereits andere Stars hautnah, etwa Jackie Chan und Arnold Schwarzenegger, die hier Szenen des Hollywoodstreifens „In 80 Tagen um die Welt“ drehten. Und Schüsse vom historischen Rathausturm jagten auch über das Görlitzer Kopfsteinpflaster, als Daniel Brühl in „Inglourious Basterds“ von Quentin Tarantino Jagd auf GI‘s machte.

Es ist fraglos die einzigartige Altstadtkulisse der 56 000-Einwohner-Stadt, die Locationscouts und Regisseure aus aller Welt an die Neiße lockt. Mit ungefähr 4000 Einzeldenkmalen gilt sie als größtes Flächendenkmal Deutschlands. Spätgotik trifft auf Renaissance, Barock auf Jugendstil. Auf wenigen Hundert Metern lassen sich Schätze aus über einem halben Jahrtausend europäischer Architekturgeschichte ausmachen. So mutiert das alte Zentrum um Rathaus, Untermarkt, Tuchhallen, Schönhof und Flüsterbogen wahlweise zu New York, Berlin, Frankfurt am Main, Paris, Heidelberg oder München. Das wandelbare Görlitz hat diese Städte als Drehort bereits alle verkörpert. Fast jede Epoche lässt sich hier nachspielen.

Update: In einer früheren Version des Artikels haben wir das Fahrzeug auf dem Foto als Trabi bezeichnet, es ist aber keiner. Wir haben den Fehler korrigiert.

Eine Altstadt ohne Bausünden

Mittlerweile wurden hier für nicht weniger als 29 Filme Szenen gedreht, die ersten datieren zurück auf 1954. Jüngeren Datums sind „Monuments Man“ (2013) von George Clooney, „Der Turm“ und „Die Vermessung der Welt“ (beide 2011) sowie diverse Tatort- und Polizeiruf-Folgen.

Und weitere Projekte stehen an. Noch dieses Jahr will eine Münchner Firma in Görlitz den Klassiker „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens neu verfilmen. Voraussichtlich ab Herbst drehen die Produzenten von „Lola rennt“ und „Das weiße Band“ hier eine Neufassung von Hans Falladas wiederentdecktem Roman „Jeder stirbt für sich allein“.

Die Crews lassen in der Stadt Geld liegen

Es gibt viele weitere Gründe, die für Görlitz als authentischen Drehort sprechen, etwa die vergleichsweise geringen Kriegsschäden, eine Altstadt ohne Bausünden und Leuchtreklamen, kurze Wege und eine gute Infrastruktur, dazu wenig Verkehr in der Altstadt und nicht zuletzt eine verständnisvolle und tolerante Einwohnerschaft. Als äußerst kooperativ erweist sich auch das Rathaus. So stellte sich die Stadtverwaltung um den parteilosen Oberbürgermeister Siegfried Deinege mittlerweile ganz professionell auf die Filmteams und deren Ansprüche ein. Straßenschilder oder Neonröhren wurden zuletzt so konzipiert, dass sie sich während der Drehphasen ohne größeren Aufwand entfernen lassen.

Natürlich zieht Görliwood auch seinen Nutzen aus diesem Hype. Die Crews geben hier nicht wenig Geld aus. An Drehtagen ist kein Gästebett mehr zu bekommen. Handwerker kommen zu zusätzlichen Aufträgen und mancher Einwohner zu einem Job als Komparse.