Beim Service will Borgward neue Wege gehen und ohne eigene Werkstätten auskommen. Stattdessen werden die neuen Modelle in Marken-Schaufenstern präsentiert – wie in Stuttgart. Doch noch wirkt vieles improvisiert.

Stuttgart - Borgward residiert in Stuttgart in bester Innenstadtlage. Von den Büros der Firmenzentrale im sechsten Stock des Citygate-Hochhauses hat man einen herrlichen Blick auf den Weinberg der Industrie- und Handelskammer, der von einem putzigen Häuschen gekrönt wird. Nur wenige Hundert Meter von der Firmenzentrale entfernt hat der Autobauer in der Lautenschlagerstraße sein erstes deutsches Brand Experience Center eröffnet. Es ist ein Autohaus der etwas anderen Art – und in einer für die Branche sehr ungewöhnlichen Lage.

 

Auf der anderen Straßenseite ist die Kanzlei Gleiss Lutz zu Hause, einige Meter weiter bummeln Passanten an Läden vorbei, reiht sich Restaurant an Restaurant. Wie der Elektroauto-Pionier Tesla im Einkaufsviertel Dorotheen-Quartier wollte auch Borgward nicht an die Automeile in der Heilbronner Straße ziehen, sondern hat sich einen Standort gesucht, an dem immer was los ist.

Doch zwischen dem noblen Tesla-Showroom und dem neuen Marken-Schaufenster von Borgward liegen Welten – denn das Brand Experience Center ist eine Baustelle. Mittendrin im großen Raum steht der mattgrau glänzende Geländewagen Borgward BX 7 auf einem roten Teppich im Scheinwerferlicht, doch drum herum ist es nicht wirklich gelungen, eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Armdicke schwarze Abflussrohe laufen über die kahlen weißen Wände, an der Decke schlängeln sich silbern ummantelte Heizungsrohre entlang. Neben einem Heizungsrohr baumelt ein aufgerolltes Elektrokabel. Das Markenzentrum sei noch ein Pop-up-Store, entschuldigt der Marketingmanager Tomas Caetano das behelfsmäßige Ambiente. Anders als erwartet sei dem Autobauer nur ein Rohbau übergeben worden, weshalb das Innendesign „nachjustiert“ werden musste, wie Borgward-Chef Ulrich Walker im Dezember in einem Interview mit unserer Zeitung sagte.

Bundesweit sind acht bis zehn Zentren geplant

Nur virtuell kann Caetano bisher zeigen, wie der Raum einmal aussehen soll. Dann werden Autos ausgestellt, können auf drei großen digitalen Displays Wagen unterschiedlich konfiguriert und miteinander verglichen werden, gibt es einen gläsernen Besprechungsraum und eine Lounge-Ecke. Kunden können hier Autos zur Probefahrt abholen oder den Kaufvertrag unterschreiben. Auch Veranstaltungen mit Hochschulen oder Künstlern seien denkbar, sagt der Borgward-Manager. Bundesweit sind indes nur acht bis zehn solcher Zentren geplant, denn der Autobauer will die Wagen im Wesentlichen über das Internet verkaufen.

Auch beim Service will Borgward neue Wege gehen und ohne eigene Werkstätten auskommen. Stattdessen soll die Kette ATU diese Aufgabe übernehmen. Borgward-Chef Tom Anliker spricht von einem neuen Geschäftsmodell, mit dem Borgward Pioniergeist zeige, der auch den Gründer Carl F. W. Borgward ausgezeichnet habe, der einst aus einer kleinen Kühlerfabrik im Laufe der Jahrzehnte ein Automobilimperium schuf.

Nicht nur mit dem Markenzentrum ist der Autobauer in Verzug. Eigentlich sollte der Verkauf in Europa schon Ende vergangenen Jahres starten. Der Bau eines Montagewerks in Bremerhaven und der Verkauf der Wagen über den Neuwagen-Online-Shop des Autovermieters Sixt kommen ebenfalls nicht in die Gänge.

Eigentlich wollte Borgward in Deutschland nur Elektroautos und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge verkaufen, doch nun startet der Autobauer mit einem Benzinmotor. Es ist quasi ein Kostpröbchen, denn vorerst wird lediglich eine limitierte Auflage von ein paar Hundert Wagen angeboten, die stolze 44 200 Euro kosten – fast so viel wie ein Mercedes GLC in der Grundausstattung. Erst im September soll der Verkauf mit diesem Geländewagen so richtig starten. Dann soll der Benzinmotor die neueste Abgasnorm Euro 6d-Temp erfüllen und mit einem Partikelfilter ausgestattet sein.

Autoexperten sehen die Zukunft von Borgward skeptisch

Autoexperten sehen die Zukunftschancen von Borgward im gesättigten deutschen Markt, auf dem eine ganze Flut von Geländewagen angeboten werden, skeptisch. „Weder das Antriebsaggregat noch das Design oder sonstige Ausstattungsmerkmale sind ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal“, gibt Stefan Reindl, der Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft (Ifa) zu bedenken.

Noch düsterer sieht es Reindls Kollege Ferdinand Dudenhöffer, der Leiter des Forschungsinstituts CAR. Dudenhöffer weist darauf hin, dass Borgward bisher in China wo die Marke zuerst gestartet ist, nicht gerade einen berauschenden Erfolg feiern konnte. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein chinesisches Auto, das sich noch nicht mal in China vernünftig verkauft, in Deutschland Kunden gewinnen wird.“ Der Wissenschaftler sieht schwarz: „In wenigen Jahren“, so Dudenhöffer, „wird auch Borgward in Deutschland wieder Geschichte sein.“