Mit dem ersten Motorenwerk außerhalb Deutschlands will Daimler seine Aufholjagd in China beschleunigen. Die Jahreskapazität liegt zunächst bei 250.000 Vier- und Sechszylindermotoren.

Korrespondenten: Inna Hartwich

Yizhuang - Ein wenig Dramatik darf es schon sein, hier in der blank geputzten Fabrikhalle in Yizhuang, der Entwicklungszone im Südosten Pekings. In zwei Jahren hat BBAC (Beijing Benz Automotive Corporation), wie sich Daimler zusammen mit seinem chinesischen Partner im Reich der Mitte nennt – ein Motorenwerk hochgezogen. Das erste außerhalb Deutschlands. „Damit fördern wir das Vertrauen der chinesischen Kunden in unsere Produkte und zeigen unsere Zuversicht in die prosperierende Zukunft in diesem Markt“, sagte Hubertus Troska, der Chinachef von Daimler, bei der Eröffnungsfeier am Montag. Dass die Produktionskosten hier niedriger sind als zu Hause in Deutschland, verhehlt das Unternehmen nicht. Zahlen dazu nannte Daimler jedoch nicht. Stattdessen ließ der Konzern laute Bässe aus den Boxen pochen, biegsame Tänzer zwischen Bühnenwänden wirbeln und chinesische Arbeiter den Countdown brüllen – bis sechs Motoren, in Nebel gehüllt, bis vor die Füße der Führungsriege rollten.

 

Es ist der nächste Schritt, den Daimler geht, um auf dem chinesischen Markt nicht noch weiter hinter BMW und Audi zurückzufallen. 400 Millionen Euro hat BBAC in das Werk investiert. Zu spät war Daimler in die Produktion vor Ort eingestiegen, zu umständlich gestaltete sich der zweigleisige Vertrieb von Autos, die aus Deutschland importiert, und jenen Fahrzeugen, die erst in China zusammengebaut wurden. Umso vehementer drängt das Unternehmen jetzt genau in dieses Feld. 200 000 Fahrzeuge verkaufte Daimler im vergangenen Jahr in China. Nach Deutschland und den USA ist das Land, das trotz aller Bescheidenheitskampagnen der Regierung nach Luxusprodukten giert, der drittgrößte Markt.

Nach eigenen Angaben wächst Mercedes in China in diesem Jahr um acht bis neun Prozent. Im dritten Quartal machte der Absatz sogar einen Sprung um 38 Prozent. Das Unternehmen gewinnt nach seinem im Vergleich zur deutschen Konkurrenz schwierigen Start wieder an Boden. „Die Tage, an denen Chinesen glaubten, nur ein in Deutschland zusammengebauter Mercedes sei auch ein richtiger Mercedes, sind längst vorbei“, sagte Frank Deiss, Leiter von BBAC. „Deutsche Präzision können wir auch in China liefern.“ Präzision, die später wiederum exportiert werden soll. Doch „ganze Motoren“, sagte Deiss, seien nicht für den Export gedacht. Vorerst.

Zetsche wird am Dienstag in Peking erwartet

Zunächst einmal dürften die Stuttgarter den Einstieg bei ihrem chinesischen Partner Bejing Automotive (BAIC) perfekt machen. Es ist eine weitere Etappe bei der Aufholjagd. Fast schon verschwörerisch sprach BAIC-Chef Xu Heyi am Montag auf der Bühne von der Unterzeichnung der Kooperation.

Die Schwaben hatten bereits im Februar angekündigt, mit zwölf Prozent bei BAIC einsteigen zu wollen. Dafür sollen sie zwei Sitze in dem Verwaltungsgremium der BAIC Motor genannten Pkw-Sparte erhalten. Der chinesische Autobauer soll dann mit 51 Prozent die Mehrheit an dem Gemeinschaftsunternehmen BBAC übernehmen. Die neue Kooperation dürfte auch den Weg für den Börsengang des Pekinger Autoproduzenten frei machen, weil die Chinesen das Joint Venture mit Daimler dabei als Eigentum angeben können.

Ob der Vertrag am Dienstag tatsächlich unterschrieben wird, bestätigte Daimler bei der Fabrikeröffnung nicht. Allerdings wird Konzernchef Dieter Zetsche am Dienstag in Peking erwartet. Es wäre das erste Mal, dass sich ein deutscher Hersteller in größerem Maße an einem nicht börsennotierten, staatlichen chinesischen Autoproduzenten beteiligt.

Daimler-Motorenwerk ist ein begehrter Arbeitsplatz

Interkulturell geht es auch im neuen Werk zu. 15 deutsch-chinesische Teams, etwa 100 Meister und Ingenieure, sollen hier jährlich rund 250 000 Vier- und 50 000 Sechszylindermotoren produzieren. „Vor allem der Vierzylindermarkt wächst, weltweit“, sagte Hubertus Troska. Es könnten mehr Motoren „made in China“ werden. „Platz haben wir genug.“ Von der Verdoppelung der Kapazität ist die Rede. Einen Zeitpunkt dafür nannte das Unternehmen jedoch nicht. Noch ist es leer in der Fabrik, die Bänder sind am Eröffnungstag nicht ausgelastet. Zwischen den Produktionslinien für die Motoren sitzen Büromitarbeiter in gläsernen Containern. Weiter hinten sollen Kurbelwellen entstehen.

Es ist ein begehrter Arbeitsplatz. Viele Chinesen bewundern die deutsche Marke, vor allem Frauen sehnen sich oft nach den teuren Autos, die sie als „weiblich“ definieren. Noch vor einigen Jahren war an der Stelle, wo die BBAC-Fabrik steht, ein kleines, staubiges Dorf mit niedrigen Häusern. Doch Chinas Hauptstadt wächst, in die Höhe wie in die Breite. Dörfer haben da keinen Platz, Menschen müssen umsiedeln. Auf zehn Hektar breitet sich das neue Motorenwerk aus. Die grüne Wiese habe viele Möglichkeiten für die Gestaltung der Hallen geboten, schwärmte BBAC-Chef Deiss. Schon bald aber könnte das neue Werk mitten in der Stadt liegen, denn nicht nur Daimlers Chinachef Troska erhofft sich Wachstum. Auch der Speckgürtel um Peking wird größer. Mit den Urbanisierungsplänen der Partei umso rasanter.