Der VVS will Fahrplan- und Pünktlichkeitsdaten im Internet verfügbar machen – gemeinsam mit den vier anderen größten Nahverkehrsverbünden in Deutschland. Er hofft auf neue Ideen und Anwendungen für die Kunden – jenseits der Platzhirsche Google und Daimler.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) steht nach eigenen Angaben kurz vor dem Durchbruch für ein Portal mit offenen Verkehrsdaten. Das sagte der VVS-Geschäftsführer Horst Stammler im Gespräch mit dieser Zeitung. Man wolle noch 2017 alle Fahrplan- und Pünktlichkeitsdaten der Fahrzeuge im VVS-Netz maschinenlesbar online verfügbar machen und mit den vier größten deutschen Nahverkehrsverbünden in Hamburg, München, Rhein-Main und Rhein-Ruhr eine gemeinsame Open-Data-Plattform gründen. Das ist bundesweit einmalig und wäre ein großer Schritt in Richtung Open Data.

 

Hinter Open Data steckt die Idee, dass öffentliche Einrichtungen sämtliche von ihnen erhobenen Daten frei vefügbar machen. „Open Data hat Fahrt aufgenommen, insbesondere im Verkehrsbereich“, sagt VVS-Geschäftsführer Stammler. Den Anfang machten die Deutsche Bahn und Google 2012: Seither sind Fahrplandaten in den Kartendienst Maps integriert. Der VVS „konnte und wollte da nicht außen vor bleiben“, so Stammler – seit 2013 liefert auch er Fahrpläne an Google. Dafür zahlt der US-Konzern kein Geld, doch der VVS verspricht sich mehr Fahrgäste dank besserer Informationen.

Der Daimler-Ableger Moovel war der nächste Abnehmer von VVS-Daten, es folgten weitere Auskunftsdienste wie Qixxit oder Ally. Jeder, der diese Dienste nutzt, ist ein potenzieller VVS-Kunde. Das ist ein Argument für den VVS, seine Daten zu öffnen. Hinzu kommen Angebote, die den Nahverkehr besser machen und mangels Datenbasis noch nicht erfunden worden sind. Denkbar sind neuartige Auskunftssysteme, ein verbesserter Störungsmelder oder Analysen zur Pünktlichkeit, wie es die Privatinitiative „S-Bahn-Chaos“ seit Jahren mit S-Bahn-Daten vormacht.

Warum die aktuelle Ausschreibungsrunde hilft

Für Stadtbahnen und Busse sind bis jetzt keine Pünktlichkeitsdaten im Internet ohne größeren Aufwand und legal nutzbar. nutzbar, an eine Vollversion der aktuellen Fahrpläne kommt man ebenfalls nicht einfach so heran. Das liegt unter anderem an den Nutzungsvereinbarungen, die der VVS mit den Bahn- und Busunternehmen in der Region lange vor dem Open-Data-Trend geschlossen hat und die eine Speicherung und Auswertung solcher Daten ausschließen.

„Die aktuellen Ausschreibungen und der Wettbewerb im Busverkehr helfen uns“, sagt Stammler. Öffentliche Stellen sind zudem aufgefordert, Open Data bei Ausschreibungen zu berücksichtigen. Ein Open-Data-Bundesgesetz ist in Arbeit.

Für die Daten in dem geplanten Datenportal wolle demnächst mit der S-Bahn Stuttgart eine Mustervereinbarung schließen und diese dann für die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) sowie die Busunternehmen im VVS übernehmen. Auch nach außen hin soll für die Abnehmer der Daten künftig eine einzige einheitliche Nutzungsvereinbarung gelten.

Vorbild Ulm

Bisher musste der VVS mit externen Nutzern je eigene Vereinbarungen aushandeln. Solche Zusatzbelastungen entfallen durch das geplante Datenportal. Mit den vereinheitlichten Bedingungen begegnen der VVS und seine Partnerverbünde auch dem in der Open-Data-Szene wiederholt geäußerten Vorwurf, Start-Ups oder Privatinitiativen zu benachteiligen – weil es für die oft zu aufwendig ist, Nutzungsbedingungen rechtssicher auszuverhandeln.

Open-Data-Aktivisten freuen sich über die auch für sie neue Nachricht von dem geplanten Verkehrsdatenportal – darunter Stefan Kaufmann, der deutschlandweit als Experte für offene Verkehrsdaten anerkannt ist. „Aber darauf müsste man doch nicht warten, sondern könnte die Daten jetzt schon prototypisch herausgeben“, findet Kaufmann. Er würde sich freuen, wenn die Open-Data-Szene in der Arbeit am Datenportal einbezogen würde – und fordert, dass die Daten gemeinfrei gemacht würden: „Fahrplandaten sind nicht urheberrechtlich geschützt.“

Auf Kaufmanns Betreiben machten die Stadtwerke Ulm als einer der ersten Nahverkehrsträger in Deutschland Daten frei verfügbar. Er und einige Mitstreiter aus der Open-Data-Szene stellen seit Kurzem über die Online-Initiative „Rette deinen Nahverkehr“ bundesweit Musterbriefe zur Verfügung, mit denen Bürger die jeweils zuständigen Lokalpolitiker auffordern können, Verkehrsdaten offenzulegen.

StZ-Hackday als Pionierveranstaltung

Die Idee dazu entstand bei einem Bahn-Hackathon im Dezember. So nennen sich Treffen, bei denen Programmierer mit offenen Verkehrsdaten arbeiten. Die Bahn bietet solche Formate regelmäßig an und betreibt ein eigenes Open-Data-Portal.

Beim VVS will man am 24. Juni gemeinsam mit Fahrgästen und Programmierern bei einem sogenannten Barcamp Ideen sammeln – auch für die Nutzung der offenen Verkehrsdaten.

Bereits im Jahr 2015 hat die Stuttgarter Zeitung beim „Open VVS Day“ Programmierer, Webentwickler, Open-Data-Experten und VVS-Vertreter zusammengebracht.