Die Verwirrung nimmt beim Betreten des Lokals sofort Gestalt an. Wo bin ich hier? In einer Metropole? Dieses Lokal schaut nach einer Metropole aus, zumindest aber nach der Stuttgarter Innenstadt. Sehr schlicht, sehr schick. Tatsächlich ist der Gast in einem Winzerdorf unterwegs, das zu Stuttgart gehört, aber doch irgendwie sein Eigenleben führt. Der Gast befindet sich in Untertürkheim. Im Amsel und Meise. Ein bisschen weit weg von der Innenstadt, dennoch mit einem großstädtischen Flair.
Im Amsel und Meise haben junge Menschen mit einigem Selbstbewusstsein das Zepter übernommen, wobei das leicht untertrieben ist. Denn das Lokal im Wohngebiet war seit langer Zeit geschlossen, nun haben ihm junge Gastronomen neues Leben eingehaucht. Mit einem klaren Konzept: Im Vorort gibt es schwäbische Küche, allerdings mit einigem Pfiff. Was bei dem Name des Restaurants auch nicht verwundert, bei all den Vögeln im Namen.
Das Amsel und Meise entspricht dem Zeitgeist. Es gehen längst die Gerüchte, dass die jungen Menschen gerne in den Außenbezirken essen gehen, weil die Stimmung in der Innenstadt nicht unbedingt nach ihrem Geschmack ist. Wie auch immer: Das Projekt am Rand der Stadt, im Wohngebiet neben der Schule, gelingt ausgezeichnet. Loris Wolpert, der Chef, ist auf alle Fälle über den Start sehr glücklich: „Ich bin wirklich sehr zufrieden“, sagt der junge Mann, „aber offensichtlich hat es sich rumgesprochen.“ Rumgesprochen, dass die schwäbische Küche auch mehr kann, wobei nicht alles schwäbisch sein muss. Der Mix stimmt. Zwischen Klassikern und veganen Gerichten. Die marinierten Kräuterseitlinge (14 Euro) zum Beispiel machen richtig Spaß, bieten einen schönen Pilzgeschmack, auch die schwäbische Burrata (15 Euro) ist herrlich erfrischend. Und das vegane Waldkräutersüppchen (7 Euro) macht extrem Lust auf mehr.
Auch bei den Hauptspeisen gibt es viele fleischlose Alternativen, Seitan mit knuspriger Haferpanade (16 Euro) zum Beispiel oder Austernpilzburger (17 Euro), allerdings bringt Koch Sebastian Friederich zudem einen exklusiven Rinderrücken mit Nussbutter-Kartoffel-Stampf und bunte Beten (29 Euro) in perfekter Textur und mit herrlichem Geschmack auf den Teller, perfekt gegart, perfektes Fleisch, überragend geschmorte Knollen. Übertroffen wird dies nur noch vom 24 Stunden marinierten Hühnchen, was sämtliche Gäste am Tisch mit einer großen Begeisterung probieren. Für experimentierfreudige Gäste gibt es dann noch schwäbisches Ceviche vom Saibling (18 Euro), eine frisch-fischige Überraschung. Kurz: Im Vorort erlebt der Gast genau die kulinarischen Kicks, die er in einer Großstadt erwartet. Dafür lohnt die Fahrt mit der U-Bahn definitiv.
Service
Amsel und Meise, Lindenschulstraße 29, Telefon 01 51 / 68 54 13 50. Geöffnet: Mittwoch bis Sonntag von 12 bis 14 Uhr und von 17 bis 23 Uhr. https://amselundmeise.de/
Bewertung
Küche: 4 Sterne Service: 4 Sterne Ambiente: 5 Sterne ***** = herausragend, ****= überdurchschnittlich, *** = gut, **= Luft nach oben, * = viel zu verbessern