An der Pfaffenwaldschule werden Schüler der vormals ersten und zweiten Klasse seit einem Jahr jahrgangsübergreifend unterrichtet. Ein Schulkonzept das Eltern, Kinder und Lehrer begeistert.

Vaihingen - Seit dem vergangenem Schuljahr gibt es an der Pfaffenwaldschule keine Erstklässler und keine Zweitklässler mehr – nur noch Frösche, Katzen, Hasen und Affen. Jahrgangsübergreifendes Lernen (JÜL) heißt das pädagogische Konzept, welches hinter den Tiernamen steckt. Und es ist nicht aus der Not heraus geboren worden, also aus Schülermangel. Es sei, so betont die Schulleitung, einfach zeitgerecht.

 

Die Unterschiede bei der Einschulung sind beachtlich

„Es ist eine Utopie, dass alle Schüler auf einem homogenen Wissensstand eingeschult werden“, sagt Oliver Hoffmann. Laut dem Rektor gebe es nicht nur große Altersunterschiede bei der Einschulung – immerhin können je nach Stichtag sowohl Fünf- als auch Siebenjährige zu ABC-Schützen werden – auch das bereits Gelernte unterscheide sich stark.

Es ist ein Mit-und Voneinander Lernen

„Wir können viel entspannter auf die Defizite und Fortschritte jedes Einzelnen eingehen“, sagt Anette Summerer. Sie ist Klassenlehrerin einer der vier jahrgangsübergreifenden Klassen und hat bislang nur positive Erfahrungen mit dem neuen Konzept gemacht. Schließlich lernen die Kinder nicht nur miteinander, sondern auch voneinander. Das könne man auch an ganz praktischen Dingen merken, sagt Summerer und erklärt: „Jedes Kind hat einen älteren Paten, von dem es lernt, wo die Toilette ist, wie man zum Rektorat kommt, oder wann man sich für den Sportunterricht umzieht.“

Der Frontalunterricht ist nicht mehr der richtige Weg

Was von Vorteil für die Kinder ist, bedeutet für die Lehrer erst einmal einen höheren Arbeitsaufwand. Um zielgerichtet zu fördern, müssen verschiedene Materialien bereit gehalten werden. Während der eine Schüler noch eher in der Malphase steckt, kann es sein, dass sein Sitznachbar schon kleine Aufsätze schreibt. Das fordere eine bessere Vorbereitung. Deshalb hat das Kollegium im Vorfeld auch in anderen Schulen hospitiert, die schon Erfahrungen mit dem JÜL haben – um selbst gut vorbereitet zu sein. „Mit dem klassischen Frontalunterricht erreicht man nur das Mittelfeld“, begründet Summerer den Schritt.

Schwächere Schüler profitieren stark vom neuem Konzept

Vom jahrgangsübergreifenden Lernen profitieren vor allem schwächere Schüler: Jeder kann im eigenen Tempo arbeiten und zur Not sogar ein drittes Schuljahr in der Eingangsstufe bleiben. „Ohne dass später im Zeugnis steht ‚Der Schüler wurde nicht versetzt’“, betont Summerer. „Vergleichen kann man das mit dem Führerschein – nicht jeder kann nach 15 Stunden die Prüfung ablegen“, ergänzt Hoffmann.

Ein weiteres Plus sind die neuen sozialen Beziehungen

Gegnern des pädagogischen Konzeptes kann der Schulleiter den Wind aus den Segeln nehmen. „Ein großes Plus ist die soziale Komponente“, sagt er. Die freundschaftlichen Bande der Kinder werden nicht automatisch gekappt, sobald die Großen in die dritte Klasse kommen. Im Gegenteil: „Die Kleinen fiebern dem Zeitpunkt schon entgegen, selbst Große zu sein und Pate für ein jüngeres Kind zu werden“, sagt der Rektor. So entstünden auch neue Beziehungen.

Trotz anfänglicher Skepsis, waren auch die Eltern begeistert

Für Hoffmann und sein Kollegium ist wichtig, dass auch die Eltern das neue Konzept gut aufgenommen haben. Vergangenes Schuljahr wurde immerhin eine bestehende zweite Klasse getrennt, um sie mit neu eingeschulten Kindern aufzufüllen. „Das sahen die Eltern am Anfang durchaus skeptisch“, sagt die Lehrerin Angela Winkler. Aber das Feedback nach einem Jahr war durchweg positiv. „Die Eltern waren begeistert, welche Entwicklung ihr Kind gemacht hat“, sagt Winkler.

Finanzieller Bonus vom Land: für den jahrgangsübergreifenden Unterricht werden bis zu drei Lehrerstunden zusätzlich genehmigt. „Für uns ist das ein Geschenk“, sagt Hoffmann. Zwei Lehrer können nun in einer Stunde Lerninhalte vertiefen und die Kinder noch individueller fördern.