Im Sexualstrafrecht werden bestehende Lücken bei der Strafbarkeit geschlossen. Grapschen wird strafbar, ebenso sexuelle Handlungen, bei denen sich das Opfer nicht aktiv wehrt. Trotzdem bleiben Schwierigkeiten und Probleme.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Berlin - Kaum ein Teilbereich des Strafrechtes ist in den letzten Jahren so häufig verschärft worden, wie das der Sexualdelikte. Gleichwohl bietet die Lebenswirklichkeit Fallgestaltungen, die nach den Buchstaben des Gesetzes nicht – oder nach Ansicht der Politik nicht ausreichend – geahndet werden können. Am Donnerstag hat der Bundestag eine weitere Änderung des Strafgesetzes beschlossen, der Bundesrat wird erst nach der Sommerpause damit befassen. Die wichtigsten Änderungen und Kritik daran im Überblick.

 

Wille statt Gewalt

Nach der bisherigen Gesetzeslage ist dann eine Vergewaltigung gegeben, wenn der Täter Gewalt angewendet hat, dem Opfer gedroht hat oder dessen Schutzlosigkeit ausgenutzt hat. Das hat in der Praxis dazu geführt, dass es sexuellen Übergriffe gibt, die in den Augen der meisten Menschen eine glasklare Vergewaltigung darstellen, dies aber im juristischen Sinne nicht sind. So wie das Beispiel eines Künstlers, der von hinten überraschend in sein völlig perplexes Aktmodel eindrang – und später frei gesprochen werden musste. Künftig zielt das Gesetz auf den „erkennbaren Willen“ des potenziellen Opfers ab. Erfolgt der sexuelle Kontakt gegen diesen Willen, so soll ein Fall der Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung vorliegen. Die Strafhöhe steigt, je intensiver der Gewalteinsatz bei der Tat ist. Der Strafrahmen reicht von sechs Monaten Mindest- und fünf Jahren Höchststrafe bei einem einfach gelagerten Fall bis hin zu einer Mindeststrafe von fünf Jahren Gefängnis, falls die Begehung der Tat besonders widerwärtig sein sollte.

Grapschen

Als §184i des Strafgesetzbuches wird der Straftatbestand der sexuellen Belästigung neu eingeführt. Strafbar ist demnach, eine andere Person „in sexuell bestimmter Weise körperlich zu berühren und so zu belästigen“. Damit sollen vor allem die Fälle geahndet werden, in denen Frauen gegen deren Willen an die Brust oder in den Schritt gefasst wird. Bisher gab es diesen Straftatbestand nicht. Übergriffe dieser Art mussten entweder als Beleidigung verfolgt werden – oder wurden mangels Erfolgsaussicht einer Klage nicht weiter verfolgt. Die Strafandrohung reicht bis zu einer Freiheitsstrafe von zwei, in besonders schweren Fällen von fünf Jahren.

Gruppentaten

Ebenfalls neu ist § 184j des Strafgesetzbuches. Mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe soll geahndet werden, wenn jemand die Sexualstraftat eines anderen ermöglicht. „Wer eine Straftat dadurch fördert, dass er sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt, wird bestraft, wenn von einem Beteiligten der Gruppe eine Straftat nach den §§ 177 oder 184i begangen wird“ heißt es in dem Gesetzestext. Nach bisheriger Rechtslage konnte das Mitglied einer Gruppe, der das Opfer nicht selbst berührte, nur sehr schwer belangt werden.

Schwierigkeiten

Das geänderte Sexualstrafrecht schafft in manchen Bereichen die Grundlage für eine Verurteilung, trotzdem wird es auch künftig Lebenssituationen geben, die vom Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt sind. Zudem besteht nach wie vor das Problem der Beweisführung. Es steht meist Aussage gegen Aussage, Opfer und Täter sind meist allein, Zeugen gibt es nur selten. Zahlreiche Rechtsbegriffe müssen in den nächsten Jahren erst von den Gerichten definiert und mit Leben gefüllt werden – zum Beispiel wann der „erkennbare“ Wille wirklich“erkennbar“ ist.