Heute ist Premiere fürs neue Tatort-Team aus dem Pott: In Dortmund ermittelt künftig ein Quartett von Kommissaren.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Das geht ja gut los: Lustvoll wälzt sich ein junges Paar auf dem Bett, während gleichzeitig ein Mann mit Messer in der Brust sein Leben aushaucht. In schnellen Schnitten wird der Zuschauer ins Geschehen gezogen. Sex und Gewalt – das kennen wir doch aus einem früheren „Tatort“ im Ruhrgebietsmilieu. Schon Hauptkommissar Horst Schimanski (Götz George) war einst auf beiden Feldern zu Hause. 29-mal durfte er, kaum gebremst von seinem Partner Thanner (Eberhard Feik), zwischen 1981 und 1991 durch den „Pott“ proleten. Wohl kein „Tatort“-Kommissar war jemals so beliebt wie Schimmi, der Rüpel mit dem weichen Kern.

 

Nun wagt sich der WDR nach dem Duisburger Schimanski und dem Essener Kommissar Haferkamp (Hansjörg Felmy) an eine Neuauflage des Revierkrimis. Ermittelt wird in Dortmund, gesendet erstmals am Sonntagabend. Diesmal bekommen es die Zuschauer nicht mit einem der beliebten Ermittlerpärchen, sondern mit gleich vier Kommissaren zu tun – eine Premiere in der vierzigjährigen „Tatort“-Geschichte.

Da die Protagonisten szenisch gleich behandelt werden sollen, müsse man sich permanent Handlungen für alle vier ausdenken, sagt die Produzentin Sonja Goslicki. Das solle Tempo in den Film bringen. Genau das ist auch ein Problem: Wenn das Quartett gleichberechtigt zur Geltung kommen soll, hat keiner von ihnen die Chance, sich zu entfalten. Und für erzählerischen Tiefgang bleibt keine Zeit mehr.

Jüngere Zuschauer sollen angelockt werden

In der ersten Folge „Alter Ego“ dominiert nur einer: Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann), der aus Lübeck nach Dortmund versetzt wird und nun die Mordkommission leitet. Ein unangepasster, Antidepressiva schluckender und sozial kaputter Typ mit rüden Methoden und vulgärer Sprache. Auch derlei Extravaganzen kennt man aus der Vergangenheit. Faber ist Schimmi reloaded, diesmal im dunklen Parka. „Sie wollen hier nicht den Sittich machen, oder?“ wird Faber vom Hausmeister gefragt, als er wie ein Selbstmordwilliger am Rand eines Schuldachs steht.

Die Integration des neuen Chefs ins Team macht in „Alter Ego“ einen Großteil der Story aus, die sich ansonsten um zwei Morde im Schwulenmilieu dreht. Fabers Kollegin Martina Bönisch (Anna Schudt) bleibt gegen ihn blass, doch man hofft: Sie wird ihre Chance noch bekommen. Derweil fallen die Nachwuchspolizisten Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel) vor allem mit pubertärer Liebelei auf. Offenkundig sollen sie mehr jüngere „Tatort“-Zuschauer anlocken. Ernsthafte Mordermittler treten zwar anders auf – aber auch das kann sich noch entwickeln.

Das Revier hat liebenswerte Charaktere zu bieten

Dortmund schwankt zwischen Hightech und Arbeitslosigkeit. Die Zechen, die Stahlwerke, die Brauereien – alles ist kaputtgegangen. Zugleich wächst viel Neues; mit ihren Kontrasten gibt die Westfalenmetropole keine üble Filmkulisse ab. Die Zeche Zollern, das „U“, der Phoenix-See und die frühere Müllhalde Deusenberg werden gleich zum Auftakt angesteuert. Zugleich keimt der Verdacht, dass es überhandnimmt mit den Klischees. In diesen baden die „Tatort“-Macher geradezu. Man kann es ihnen nicht verdenken, dass sie an der Euphorie um den BvB teilhaben wollen. Schwarz-Gelb ist allgegenwärtig in Dortmund. Wer aber die Fußballbegeisterung hautnah erlebt hat und nun die unspontan durchs Bild watschelnde Fantruppe sieht, mag sich bei so viel Folklore nur abwenden.

Das Revier hat schrullige, liebenswerte Charaktere zu bieten. Schon Schimanski ist in den Duisburger Schmuddelecken auf viele skurrile Typen getroffen. Authentizität zu vermitteln ist damals aber um einiges besser gelungen als der neuen Hochglanzausgabe aus dem „Pütt“.