In die Räume des Schach-Depots in Stuttgart-West ist neues Leben eingezogen: Das neue Tattoo-Atelier Lord's Bodega will mehr sein als ein klassischer Stecherladen, setzt auf Kunstausstellungen und möchte ein Open Space für die Subkultur werden.

Sieht von außen erst mal nicht aus wie ein Tattoostudio. Eher wie eine Galerie für Urban Art, mit Skateboards an der Wand, einem großen alten Holztisch im Empfangsraum, Pflanzen, Kunstwerken an der Wand. Ist gewollt, sagt Alexander Braunbeck, den alle nur Junior nennen und der eine auffällige Brille mit goldener Kette trägt. Alexander ist 31, tätowiert seit er 19 ist. Er hat mehrere Studios mit aufgebaut, hat mit Jenny Fischer von TattooMed im Fluxus gestochen, arbeitete drei Jahre in Berlin.

 

„Irgendwann hatte ich einfach Lust auf einen eigenen Laden“, erzählt er. Die Idee dazu kam ihm und seiner Frau Blondina Klipan, beide echte West-Gewächse, erst voriges Jahr im Italienurlaub. Da lagen schon eineinhalb harte Jahre hinter den beiden. Er als Tattoo-Artist, sie in der Veranstaltungsbranche, da war so eine Pandemie nur bedingt ein Zuckerschlecken. Beiden war sofort klar: „Wenn, dann wagen wir diese Reise nur gemeinsam“, so Blondina.

Während Alexander seinen Kund:innen ordentlich Farbe unter die Haut jagt, schmeißt Blondina das Backoffice. „Ich liebe Excel“, lacht sie. „Außerdem kümmere ich mich um Social Media und die Finanzen.“ Alexander schaut sie verliebt an und murmelt versonnen: „Ohne sie würde ich das alles nicht schaffen.“

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Nicht ohne unseren Hund

Komplettiert wird die enge Bande von der entzückenden Hündin Sunny, schon jetzt fester Teil der Crew und überall an vorderster Front dabei. Gemeinsam mit den beiden Tätowiererinnen Vicky von Voek Tattoo und Isabel von Ouicha wollen die beiden dem Stuttgarter Westen natürlich einerseits so richtig unter die Haut gehen; andererseits möchten sie einen Ort schaffen, an dem Dinge entstehen und der Menschen zusammenbringt. „Wir sind beide sehr kunstinteressiert und wollen eine Plattform für andere Künstler sein“, so Blondina. „Wir wollen Ausstellungen veranstalten, Menschen zusammenbringen.“

Den Anfang machen Alexanders eigene, beeindruckend expressive Kunstwerke an den Wänden. Die schmücken den Raum natürlich, stehen aber zum Verkauf. Weitere Künstler sollen folgen. „Ein Miteinander statt ein Gegeneinander“, wie Blondina dazu sagt.

Das erwähnte Miteinander, es fehlt Alexander ein bisschen in der hiesigen Tattoo-Szene. „Viele arbeiten gegeneinander“, sagt er. „Man hat Angst, dass einem Kunden weggeschnappt werden. Das verstehe ich nicht. Jeder hat sein Talent, jeder hat seine Kund:innen – und vor allem hat jeder seinen Stil.“ Bei ihm sind das vor allem Schriften, die beiden Damen ergänzen um Blackwork (also großflächige Schwarzarbeiten) oder surreale Bildwelten. Denkbar sind auch Guest-Spots für andere Tätowierer:innen, auch Azubis sind im Gespräch.

Kommt als nächstes ein Restaurant?

Die Schachbretter und Bücher über legendäre Schacheröffnungen sind aus dem ehemaligen Schachladen verschwunden. Wiederzuerkennen ist er auch nicht mehr. Stattdessen herrscht ein reges Kommen und Gehen und eine wunderbar unkomplizierte Atmosphäre. „Der Laden war ein echter Glücksfall“, freut sich Alexander. Auch das Timing sei perfekt. „Viel früher hätte es in diesen Zeiten einfach keinen Sinn ergeben, ein Tattoostudio zu eröffnen.“

Der ursprüngliche Traum der beiden war dennoch ein anderer: „Ich bin Halbspanier und habe Familie in Barcelona“, erklärt Alexander auch den Namen seines Ladens. „Für mich gibt es nichts Schöneres als dort in einer Bodega zu sitzen. Ursprünglich wollten wir eine echte Bodega in Stuttgart eröffnen.“ Er zuckt grinsend mit den Schultern. „Aber die muss noch bisschen warten. Jetzt tätowieren wir erst mal.“ Für Spontane: Jeden Mittwoch ist Walk-In-Day. Reinkommen, drankommen, glücklich sein.

Lord's Bodega Tattoo Atelier, Gutbrodtr. 12, Stuttgart-West, Mo-Sa 11-20 Uhr