Mehr als zwei Jahre haben die Brüder Fabian und Steffen Roock an einer Wachholderschnaps-Kreation getüftelt, sind fast gescheitert und haben viel Geld weggekippt. Heute trinken Gäste in einer Cocktailbar ihren Gin „716 Ludwigsburg“.
In jedem Gin steckt eine Geschichte. Und wenn man die Leidenschaft für die einzelnen Zutaten herausschmeckt, berührt er neben der Leber die Sinne und das Herz. Das Trendgetränk ist nicht nur ein Wacholderschnaps, sondern, sehr wohlwollend ausgedrückt, so etwas wie das Parfum unter den Spirituosen.
Die Zutaten steigen in die Nase. Beim Gin „Ludwigsburg 716“ sind das die Düfte von Zitrusfrüchten, die man aber nicht genau zuordnen kann. „Das ist ein Mix aus Orangen, weißen, getrockneten Limetten und Yuzu“, erklärt der Gin-Kreateur Steffen Roock. Letzteres ist eine Zitrusfrucht, die vor allem in Japan bekannt ist. Andere Botanicals – also Kräuter und Pflanzenstoffe – entfalten sich erst im Gaumen. In der Ludwigsburger Variante stecken 14 Botanicals. Und so kamen die Brüder auch auf den Namen des Gins. Wer die Zahlen im Namen „716 Ludwigsburg“ addiert, kommt auf die Anzahl dieser Pflanzenstoffe. Die Zahl 716 ist natürlich auch an die Postleitzahlen der Stadt angelehnt.
Kardamom gehört zu den Zutaten
„Was genau drin ist, verraten wir aber nicht, sonst könnte ja jeder das Rezept einfach nachmachen“, sagt der 34-Jährige. Ein paar Zutaten gibt er aber doch preis: Hagebutte, Kardamom und Holunder. Die Basis bildet – wie bei jedem Gin – der Wacholderschnaps, und dass man den trotz aller Früchte und Kräuter herausschmeckt, war den Brüdern wichtig.
Ludwigsburger auf Gin-Suche
Um dieses Geschmackserlebnis zu kreieren, hat Steffen Roock zweieinhalb Jahre lang mit Obst und Kräutern experimentiert. „Da geht man ganz anders durch die Welt“, sagt er. Denn auf jedem Markt oder im Lebensmittelgeschäft war er jetzt auf der Suche nach dem besonderen Botanical, das seinem Gin zum Durchbruch verhelfen könnte. Schließlich durchforstete er Gewürzanbieter und stieß auf die getrockneten Limetten, die vor allem in der persischen Küche verwendet werden. Seine Lebensgefährtin durchkämmte für ihn in Stuttgart regelmäßig die Markthalle. Daheim wurde eingelegt, gepresst und kredenzt.
Anschließend mussten seine Kumpels aus der Ludwigsburger Handballmannschaft als Versuchskaninchen herhalten. „Das Schlimmste war, als wir einmal für 1000 Euro Gin brennen ließen, der dann aber gar nichts war und den wir ihn wegkippen mussten“, erzählt Fabian Roock. Nach bald zweieinhalb Jahren Herumtüftelei wollten sie ihr hochprozentiges Projekt schon aufgeben.
„Wir hatten sicher 50 Versuche hinter uns“, erzählt der 32-Jährige. Aber da stand noch diese eine Flasche herum, die noch nicht probiert wurde. „Und die war es dann“, sagt der ältere der Brüder. Damit ging die Arbeit aber erst richtig los. „Wir haben beide Vollzeitjobs“, so Fabian Roock. Er ist Servicetechniker, sein Bruder Maschinenbautechniker. „Das ist für uns eher ein Hobby mit Taschengeld.“
Aus Markgröningen kam die Inspiration
Die passende Flasche musste her. Für das Design des Etiketts mit Logo, Früchten, Kräutern und dem Barockschloss als grobe Zeichnung auf der Rückseite spannten sie einen Freund ein. Ein weiterer erstellte die Homepage und den Online-Shop. Wie das alles funktionieren kann, haben sie bei Alessandro De Angelis und Florian Litzl aus Markgröningen abgeschaut. Die beiden haben das Unternehmen Ginseidank gegründet und vertreiben ihre eigenen Gins, schreiben einen Blog und testen sich im Podcast durch die Unmengen des alkoholischen Trendgetränks. Bei einer Ginprobe betraten sie die weite Welt der Wacholderkreationen. Und schnell war ihre Schnapsidee geboren. Wie lange der Weg dauerte, war ihnen damals nicht klar. Heute lassen sie ihren Edelbrand bei Kim Hönes in Schwieberdingen herstellen – in Chargen von 150 bis 160 Flaschen. Danach geht’s ins Lager in Metterzimmern, in dem Fabian Rook einen Online-Handel für Industrieteile betreibt.
Seit November 2023 ist „716 Ludwigsburg“ auf dem Markt. Im Sommer wurde der Tropfen auf dem Akademiehof in der mobilen Bar Thilda ausgeschenkt und später in der Cocktailbar Chaplins und der Markthalle. Das Geschäft lohnt sich inzwischen. „Wir haben um die 400 Flaschen verkauft“, sagt Steffen Roock. „Unser Ziel ist nicht, reich davon zu werden“, sagt sein Bruder. „Bisher fand noch jeder unseren Gin gut, sogar unser Vater trinkt den jetzt, obwohl er vorher meinte, Gin schmecke wie Rasierwasser“, sagt er. In Zukunft soll es noch einen Weihnachtsgin geben. „Da brauchen wir sicher noch mal 50 Versuche“, sagt er.