Weil sie ihren Verband in einer Schockstarre wähnen, starten die Beachvolleyballer mitten in der Corona-Krise in Düsseldorf ihr eigenes 30-tägiges Turnier. Warum Querdenker und Mitorganisator Alexander Walkenhorst darin ein Modell für die Zukunft sieht.

Stuttgart/Düsseldorf - Alexander Walkenhorst (31) ist nicht nur einer der besten deutschen Beachvolleyballer, er holt auch außerhalb des Sandkastens gerne mal zum Schlag aus – verbal. Verkrustete Strukturen? Verständnislose Funktionäre? Verpasste Chancen? Walkenhorst, das Enfant terrible, spricht jedes kritische Thema an. Laut, deutlich, unbequem. „Ich bin einer, der immer meckert“, sagt er, „weshalb es höchste Zeit ist, selbst mal voranzugehen.“ Auf einem Weg, der ziemlich interessant ist – und einer Sportart eine neue Richtung geben könnte.

 

Der Re-Start im deutschen Profifußball in der Corona-Krise war getrieben von Existenzängsten. Auch die Basketball-Bundesliga, die am Wochenende beginnt, fürchtet um die Zukunft ihrer Clubs. Entsprechend großen Druck haben die Verbände gemacht. Im Beachvolleyball läuft es anders. Ganz anders. Wenn am 13. Juni in Düsseldorf die Beach-Liga startet, ein Turnier von Spielern für Spieler, sind Funktionäre außen vor. „Wir wollen ihnen zeigen, über wie viel Willen, Engagement und Kreativität wir Beachvolleyballer verfügen“, sagt Alexander Walkenhorst, einer der drei Köpfe des Projekts, „ich glaube, dass meine Sportart eine große Zukunft haben kann. Aber nur, wenn sie sich völlig neu aufstellt.“

Auf Sand gebaut

Dahinter steckt eine Kritik, die in der Szene oft zu hören ist: dass es zwar gelingt, wieder und wieder schöne Mehrtage-Events aus dem Boden zu stampfen, der Erfolg aber auf Sand gebaut ist. Ohne nachhaltig zu sein. Ohne für Wachstum zu sorgen. Ohne neue Idole hervorzubringen. „Bisher haben wir den Sprung von der Trendsportart zu einem Sport mit großer Breitenwirksamkeit nicht geschafft“, sagt Karla Borger (31), die Weltklasse-Abwehrspielerin aus Stuttgart. Und Alexander Walkenhorst, der schon länger die Einführung eines Liga-Systems fordert, meint: „Leider sind die visionären Möglichkeiten unserer Verbände stark eingeschränkt. Deshalb gelingt es ihnen nicht, Beachvolleyball wirklich groß zu machen.“ Oder eine Krise für sich zu nutzen.

Mit Beginn der Corona-Pandemie ist der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) laut Walkenhorst in eine „Schockstarre“ verfallen. Neue Ideen? Mehr Digitalisierung? Andere Wettkampfformen? „Es hat mich nicht überrascht, dass nichts kam“, sagt der Querdenker, „ich kenne ja meine Pappenheimer im DVV.“ Der Verband wollte sich zu dieser Kritik auf Anfrage nur schriftlich äußern: „Von einer Schockstarre kann nicht die Rede sein, vielmehr waren wir auf sehr vielen Spielfeldern unterwegs, die mittlerweile feste Formen annehmen und zeitnah verkündet werden können.“

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Die Beach-Liga war schneller. Ab 13. Juni geht es auf dem Gelände der Merkur-Arena in Düsseldorf 30 Tage lang rund. Ohne Zuschauer, klar, dafür aber mit 16 Teams. Die jeweils acht Frauen- und Männer-Duos wechseln sich wochenweise ab, treten viermal gegeneinander an. 14 Tage mit je zwei Spielen sind so garantiert, und Mitte Juli werden an einem Final-4-Wochenende die Sieger ermittelt. Für das Turnier wurde zusammen mit der Stadt Düsseldorf ein umfangreiches Hygienekonzept erarbeitet, einschließlich regelmäßiger Corona-Tests sowie gemeinsamer Unterkunft und Verpflegung der Athleten in einem Hotel in unmittelbarer Nähe des Sandplatzes. Alle Spiele werden auf der Streamingplattform Twitch live gezeigt und kommentiert – kostenlos, zugangsfrei, für alle Geräte geeignet. „Es ist beeindruckend, was die Jungs da ehrenamtlich auf die Beine gestellt haben“, sagt Karla Borger, „ich finde es super, konkret zu wissen, dass wir endlich wieder spielen können.“

Einige der Top-Stars fehlen

Mit dabei sein werden viele der besten deutschen Profis, einige Stars aber auch fehlen. Julia Sude, die Partnerin von Karla Borger (spielt mit Talent Svenja Müller), treibt ihr Studium der Zahnmedizin voran, auch die Vize-Weltmeister Julius Thole und Clemens Wickler sind an der Uni gefordert. Olympiasiegerin Laura Ludwig und Margareta Kozuch passte das Ereignis nicht in den Trainingsaufbau. „Das kann ich zwar nicht ganz nachvollziehen“, sagt Organisator Walkenhorst, „und trotzdem sind wir besser besetzt als es in der Vergangenheit die Turniere auf der deutschen Tour waren.“

Die Beach-Liga ist ein Experiment in schwierigen Zeiten. Aber aus Sicht der Macher zugleich ein Modell für die Zukunft. Sie sind überzeugt, dass sich ihr Sport nur weiterentwickeln wird, wenn es gelingt, neben den großen Events ein Liga-System zu etablieren. Mit Heimspielen an festen Standorten. Mit Stars zum Anfassen. Mit guten Geschichten. Mit Nachwuchsarbeit. „Beachvolleyball ist unglaublich beliebt“, sagt Walkenhorst, „und trotzdem gelingt es uns nicht, den Abstand zu den großen Profi-Sportarten zu verkleinern.“ Er selbst startet nun einen ersten Versuch, um daran etwas zu ändern.

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