War die Grävenitz furchtbar hässlich? Im neuen Band der Ludwigsburger Geschichtsblätter nimmt ein Autor einige Korrekturen am bekannten Bild von der württembergischen Mätresse vor.

Ludwigsburg - Auf zeitgenössischen Darstellungen sieht es so aus, als habe Wilhelmine von Grävenitz dem Schönheitsideal des frühen 18. Jahrhunderts entsprochen. Heinrich August Krippendorf hat dagegen ein sehr schonungsloses Bild gezeichnet: „Es war an der Grävenitz gar nichts Schönes“, heißt es in den Aufzeichnungen ihres Privatsekretärs. Er könne sich nicht vorstellen, dass Herzog Eberhard Ludwig seine Mätresse tatsächlich geliebt hat. So wird Krippendorf im neuen Band der Ludwigsburger Geschichtsblätter zitiert, die neben dem Beitrag über die Grävenitz auch Texte über das einstige Bauerndorf Aldingen, die Ludwigsburger Friedhofskultur oder das Hungerjahr 1817 in Marbach enthalten.

 

Privatsekretär rächt sich

Die bösartige Beschreibung der berühmten württembergische Mätresse war einst ohne Namensnennung verfasst worden. Nun haben Historiker die Klarnamen der handelnden Personen entschlüsselt. Das berichtet Joachim Brüser, der in seinem Beitrag zur historischen Jahresschrift den Weg der Grävenitz aus Mecklenburg bis an die Spitze des Fürstentums Württemberg nachzeichnet. Brüser stellt klar, dass die Grävenitz, in den 24 Jahren am Hof Eberhard Ludwigs „dessen Regierungszeit geprägt hat wie kein anderer Mensch“. Er räumt aber auch mit der Legende auf, die Mätresse sei aus armen Verhältnissen gekommen und habe somit einen sensationellen Aufstieg hingelegt. „Das ist komplett falsch“, schreibt Brüser. „In den Augen des Ludwigsburger Hofadels mag sie so erschienen sein, sie entstammt aber dem altmärkischen Uradel.“

Ihr Privatsekretär scheint einzig vom Busen und den Händen der 1731 verstoßenen „Landhofmeisterin“ angetan gewesen zu sein. Ansonsten ergeht er sich in übler Nachrede: „Ihre Augen, Haar und Taille waren von der allergemeinsten Sorte, die Zehne die heßlichsten von der Welt. Ihr Angesicht, welche jederzeit mit Farbe so starck übergeschmiert war, als ob sie einem Gipser die Arbeit verdungen“, sei von Blattern entstellt gewesen. Zu allem Übel sei sie auch noch nach einer schweren Krankheit unförmig dick geworden.

Sehr viel verlässlicher als die Medaillons mit dem Konterfei der Konkubine dürfte auch diese Beschreibung nicht sein. Denn ganz offenbar handelte es sich um einen Racheakt: Die Grävenitz hatte ihren Sekretär in Ungnade entlassen. Ob es verlässlichere Aussagen über die Erscheinung der Grävenitz gibt, verschweigt Brüser. Stattdessen aber versucht er deren Rang klarzumachen – und zwar im Vergleich zu den berühmten französischen Mätressen wie Madame de Maintenon, die 32 Jahre an der Seite König Ludwigs XIV. lebte, und Marquise de Pompadour, die 15 Jahre die Geliebte Ludwigs XV. war. Die Dauer spreche für den Erfolg, schreibt Brüser. Die Grävenitz habe sich „dank eines gut funktionierenden Netzwerks von Günstlingen“ so lange halten können.

Mit den Bürgern kommt die Moral

Erst mit der Verbürgerlichung der Gesellschaft im 19. Jahrhundert seien die Mätressen retrospektiv mit einem moralischen Bann belegt worden, so der Historiker. Während der Ehebruch im Volk auch schon im 18. Jahrhundert hart bestraft wurde, stand der Fürst über dem Gesetz: Bigamie war ein Privileg der höheren Stände und die Position einer Mätresse entsprach der eines Hofamtes. Für frühneuzeitliche Frauen bot sich dies als einziger Weg für den sozialen Aufstieg oder eine Karriere.

Der Artikel über die württembergische Mätresse ist einer von acht Beiträgen im Band 71 der Ludwigsburger Geschichtsblätter. Geforscht wurde außerdem über das Elend in Marbach im 19. Jahrhundert, über das deutsche Kolonistendorf Seimeny und über die württembergischen Herzöge und Könige in der Karikatur.