Nicht, dass der Fernsehmann und Autor Oliver Storz („Raumpatrouille Orion“, „Drei Tage im April“) so ganz und gar vergessen wäre. Seine Bücher gibt es aber nur noch antiquarisch. Was für ein Jammer, findet Hans Jörg Wangner, der für unsere Krimikolumne „Killer & Co.“ den schmalen Band „Als wir Gangster waren“ gelesen hat.
Stuttgart - Was für ein bestürzendes Stück Literatur! Als 19-Jähriger schrieb Oliver Storz ein Stück aus seiner Schulzeit. Wie eines Tages die Tür zum Klassenzimmer aufging, wie ein Polizist hereinkam und einen „Zigeunerbuben“ zum Unterricht brachte. Wie die Klasse feixte über die ärmlichen Kleider des schwarzhaarigen Jungen mit dem grünen Seidenband als Krawattenersatz, wie alle Dämme der Gemeinheit brachen, als der Büttel und der Schulmeister einen offenbar üblen Scherz über ihn machten. Wie die Klasse beschloss, den Neuen zu verprügeln, wie Oliver Storz in letzter Sekunde dazwischen ging und ihn sogar ins am Nachmittag ins Freibad einlud. Aber wie sich der Rassismus erneut entlud – und Storz seinen Freund aus purem Opportunismus verriet. Er hat ihn nie wiedergesehen.
Schon als junger Mann ein herausragender Schreiber
Man muss sich das vor Augen halten: Storz, der später mit „Drei Tage im April“, „Im Schatten der Macht“, „Das tausendunderste Jahr“ und auch mit „Raumpatrouille“ Fernsehgeschichte schrieb, hatte als noch nicht einmal Volljähriger einen Stil, wie er bei deutschen Autoren nur ganz selten vorkommt: souverän, gelassen, erstaunlich geschliffen – und getragen von einer großen Empathie, die das eigene menschliche Versagen nicht kaschieren will.
Der leider vergriffene Band „Als wir Gangster waren“, in dem neben dem titelgebenden Romanfragment auch „Das grüne Band“ des Roma-Buben und andere nachgelassene Prosa versammelt ist, präsentiert uns einen Schreiber der Extraklasse, in der Jugend wie im Alter. Wie schon in der schwäbischen Filmtrilogie beschäftigt er sich mit der Zeit zwischen den letzten Kriegsjahren und der Währungsreform. Er schildert in klarer Prosa das Leben aus der Sicht seiner Generation, er berichtet von der Hinrichtung eines polnischen Zwangsarbeiters, die er heimlich mit ansah, er beschreibt die schillernde Figur eines jungen Adligen, den es als Flüchtling ins Hohenlohische verschlagen hat.
Einst Feuilletonredakteur bei der StZ
Ja, dieser Oliver Storz, auf dessen zwei Redakteursjahre im Feuilleton der Stuttgarter Zeitung unser Blatt heute noch stolz sein darf, war ein Großer. Einer, der in der Debatte um Günter Grass’ SS-Mitgliedschaft seine Stimme erhob, um als Schriftsteller einen zentralen Beitrag zu leisten – nachzulesen hier in der Süddeutschen vom 19. Mai 2010.
Es ist ein Jammer, dass es von diesem Mann nichts mehr auf dem Buchmarkt gibt. Aber er selbst, Gentleman-Skeptiker, der er war, hätte es wahrscheinlich mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Und seine nächste Benson & Hedges angezündet.
Oliver Storz: „Als wir Gangster waren.“ Mit einem Vorwort von Dominik Graf. Graf Verlag, 190 Seiten, gebunden. Derzeit nur antiquarisch erhältlich