Für keuschere Gemüter ist dieser knappe Roman eher nichts: Halbseidene Produzenten und verzweifelte Amateure bringen in „Wer wird Perversionär“ einen Pornowettbewerb ins Internet. Steve Lowe erzählt von einer Welt, in der radikale Selbstausbeutung angesagt ist.

Stuttgart - Kein Job, kein Geld und viel Frust, das ist eine vielversprechende Kombination, um einen Mann Neues ausprobieren zu lassen. Dennis zum Beispiel meldet sich in Steve Lowes „Wer wird Perversionär“ auf eine Casting-Anzeige hin, und als klar wird, dass nicht Hollywood ruft, sondern eine zwielichtige Pornoproduktion, sagt er trotzdem Ja.

 

Es ist kein altmodischer Film, für den Dennis ständig die Hosen herunter lassen muss. Es ist eine Spielshow im Netz. Er muss in Konkurrenz zu anderen Typen mit nichts ahnenden Partnerinnen, die er vorher aus Bars abschleppen muss, vor versteckter Kamera ungewöhnliche bis unappetitliche Spielchen mit Körperöffnungen und Körperausscheidungen treiben. Der Gewinner des Wettbewerbs, heißt es, werde eine Million Dollar bekommen.

Für Romantiker ist die Lektüre dieses Romans eher nichts. Lowe beschreibt, was Dennis Runde um Runde dem Internet und damit der menschlichen Zivilisation hinzufügen darf. Keuscheren Lesern dürfte dabei arg übel werden. Was nicht heißen soll, Lowe lege es darauf an, abgebrühtere Fälle in Stadien der Erregung zu versetzen.

Seinen über weite Teile ulkig knapp geschriebenen Roman, der sich nicht auf Dennis’ Erektionen, sondern auf Dennis’ Unbehagen konzentriert, darf man sich als Ren-&-Stimpy-Variante einer Charles-Bukowski-Geschichte vorstellen: schrill, schnell, schmutzig, schamlos. Es geht jedoch nicht um den Spaß am Tabubruch, sondern ohne Moralpredigten um eine Welt, in der radikale Selbstausbeutung gefragt ist und zumindest der ärmere Mensch keine Ressourcen ungenutzt lassen darf. Dennis schämt sich, Dennis ekelt sich, Dennis fürchtet sich – aber Dennis braucht das Geld.

Ein Krimi ist der im Original „King of the Perverts“ betitelte Roman zumindest am Rande, weil Dennis bald unter Druck gerät. Er arbeitet mit einem Kameramann zusammen, einem osteuropäischen Hünen, den er vom ersten Moment an für einen unberechenbaren Sadisten hält. Der fordert denn auch bald unbedingte Leistung und die Hälfte des Gewinngeldes und droht mit schlimmen Konsequenzen, sollte Dennis in irgendeiner Hinsicht abschlaffen.

Aus dieser Nötigung, denkt man, wird noch viel Böses erwachsen. In ihr steckt eine zweite Romanhälfte, die Lowe aber nicht erzählt. Diesem Autor müssen zwar alle Niederungen von Mensch, Natur, Gesellschaft und Medien bekannt sein, er war schließlich mal Sportjournalist. Aber er stoppt die Höllenfahrt von Dennis abrupt und mit einer Drehung ins Heimelige. Der Perversions-Champion versöhnt sich mit seinen von den Spielchen oft überrumpelten Sexpartnerinnen und darf glauben, er habe den Gewinn so gut wie in Händen.

Mag sein, dass Lowe hier nur besonders zynisch sein und dem Leser dem Gedanken überlassen möchte, dass der Pornoproduzent gewiss keinen müden Cent herausrücken wird. Aber nach all dem vergnüglich unverblümten Erzählen zuvor wirkt das dann doch ein wenig frömmelnd und schal.

Steve Lowe: „Wer wird Perversionär“. mkrug Verlag, Kalsdorf 2014. 120 Seiten, 8,99 Euro. Auch als E-Book, 3,49 Euro.