Auf der Berlinale macht sich Trostlosigkeit breit – in Ulrich Seidls bitterem Film „Rimini“ und in Ursula Meiers herbem Drama „La ligne“.

Berlin - Nach den durchgestylten, farbsatten Bildern im Eröffnungsfilm (der wegen eines Server-Ausfalls bei der von deutscher Prominenz aus Film und Politik besuchten Auftaktgala minutenlang unterbrochen wurde), kippte die Berlinale am ersten Festivaltag – im deutlichen Gegensatz zum unerwartet sonnigen Hauptstadtwetter – direkt in dreckig-grauen Trübsal. Nicht zuletzt dank des neuen Films von Ulrich Seidl, der sich mit Ungemütlichkeit ja auskennt wie wenige andere.

 

In „Rimini“ erzählt er vom schwer in die Jahre gekommenen Schlagersänger Richie Bravo (Michael Thomas). Zu Beginn kommt er zur Beerdigung der Mutter heim nach Österreich, wo der Nazivater längst im Heim lebt und das Jugendzimmer noch aussieht wie damals in den Siebzigern. Doch eigentlich lebt er in Rimini, wo er sich in seiner heruntergekommenen Villa an den Ruhm vergangener Tage klammert und für kleines Geld regelmäßig aus der Heimat angereiste weibliche Fans beglückt – und das nicht nur mit seinem Gesang. Eines Tages steht seine fast schon vergessene Tochter samt muslimischem Freund vor der Tür und will außer Antworten vor allem Geld von ihm.

Unangenehm plump

Die Trostlosigkeit, die Seidl an der winterlichen Adria einfängt, ist eindrucksvoll und entspricht den vertrauten Themen, an denen er sich einmal mehr abarbeitet: darunter Einsamkeit, Alkoholismus, freudloser Sex, Fremdenfeindlichkeit und die Schatten der Vergangenheit. Anzusehen ist das angemessen bitter, aber auch etwas redundant, nicht nur innerhalb des Seidl’schen Werks, sondern auch im deutlich zu lang geratenen „Rimini“. Und dass er immer wieder Gruppen von Geflüchteten als bloße Staffage am Bildrand platziert, ist auf eine Art und Weise unangenehm, die selbst für den österreichischen Regisseur unangenehm plump ist.

Winter herrscht auch in „La ligne“ der Schweizerin Ursula Meier, die ihren ersten Spielfilm in zehn Jahren wieder in den Bergen der Romandie gedreht hat. Nach einem gewalttätigen Streit mit ihrer Mutter (Valeria Bruni Tedeschi) wird der 35-jährigen Margarete (Stéphanie Blanchoud) Kontaktverbot auferlegt. Nur auf 100 Meter darf sie sich dem Haus der Familie nähern, was in vieler Hinsicht leichter gesagt ist als getan, weswegen die kleine Schwester eine blaue Linie im korrekten Abstand rund um das Grundstück zieht und sich dort täglich mit Margarete trifft.

Feinsinnige Zwischentöne

Ähnlich wie die komplex strukturierte Familie im Zentrum ist auch Meiers Film dominiert von Aggressionen, die trotzdem Raum lassen für Humor, was die Regisseurin stilsicher in ein Wechselbad der Gefühle verwandelt. Gesellschaftspolitische Anwandlungen wie Seidl hat sie dabei nicht, dafür allerdings anders als er ein gutes Gespür für feinsinnige Zwischentöne und die Kraft der Auslassung.

Nach den Nachbarländern richtet sich am Wochenende nun der Blick aufs deutsche Kino. An diesem Samstag feiert Andreas Dresens neuer Film „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ seine Weltpremiere, am Sonntag folgt dann „A E I O U – Das schnelle Alphabet der Liebe“ von Berlinale-Debütantin Nicolette Krebitz.