In Daniel Domscheit-Bergs Buch geht es weniger um seine Zeit bei Wikileaks als um die Geschichte einer zerbrochenen Freundschaft.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Thea Bracht (tab)
Berlin - Wikileaks hat eigene Lecks. Erst kürzlich veröffentlichten die beiden "Spiegel"-Redakteure Marcel Rosenbach und Holger Stark in "Staatsfeind Wikileaks" Interna über die Enthüllungsplattform und ihren Gründer Julian Assange. Am Donnerstag hat der ehemalige Wikileaks-Sprecher für Deutschland, Daniel Domscheit-Berg, nachgelegt. Vor fünf Monaten ist er nach einem Streit mit Assange aus dem Projekt ausgestiegen, jetzt rechnet er mit ihm ab. "Inside Wikileaks - Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt" heißt die Geschichte, die die "Zeit Online"-Journalistin Tina Klopp auf 305 Seiten für den 32-Jährigen aufgeschrieben hat.

Einige der brisantesten Passagen aus dem Buch kursierten schon vor der Präsentation im Internet. Wikileaks-Mitarbeiter haben laut Domscheit-Berg bei ihrem Ausscheiden im Herbst vergangenen Jahres bisher unveröffentlichte Dokumente entwendet. Als Grund dafür nannte er Sicherheitsbedenken. Das Material - es soll sich um 3500 Dokumente handeln - wird laut Domscheit-Berg "zwischengelagert" und soll erst an Wikileaks zurückgegeben werden, wenn eine sichere Übergabe gewährleistet ist. Einer der Aussteiger hat außerdem die von ihm entwickelte Software mitgenommen.

Assange schaltet Anwalt ein


Assange, der gerade in Großbritannien juristisch gegen seine Auslieferung nach Schweden kämpft, wirft Domscheit-Berg Sabotage vor und hat einen Anwalt eingeschaltet. Die beiden Netzaktivisten könnten sich bald vor Gericht wiedertreffen. Internetblogger sprechen bereits von einer "Schlammschlacht". Dabei sind die beiden beste Freunde gewesen, wie Domscheit-Berg in seinem Buch betont. Mit dem sieben Jahre älteren Assange habe er die letzten drei Jahre seines Lebens geteilt, für ihn den Job aufgegeben, Familie und Freunde vernachlässigt. Und dann das Ende im September 2010: "Es war vorbei, für immer." Das klingt nach enttäuschter Liebe.

Erstmals traf der Deutsche den Australier im Dezember 2007 bei einem Kongress des Chaos Computer Clubs in Berlin. Julian Assange weigerte sich damals, den Eintritt zu bezahlen und beanspruchte den Presseraum allein für sich. Und: "Er verharrte stundenlang vor dem Rechner und hackte dabei in die Tasten, und zwar laut."

Die beiden Männer, die die Welt gemeinsam verbessern wollten, fuhren im Sommer 2008 mit einem gemieteten Mercedes C-Klasse Kombi voller Server quer durch Europa. Am liebsten hätten sie auch einen Abstecher nach Zürich gemacht, um als Sieger vor dem Gebäude der Schweizer Privatbank Julius Bär zu posieren. Internen Schriftverkehr der Bank hatte Wikileaks im Januar 2008 veröffentlicht.

Der Kurztrip durch Europa, konspirative Treffen, Begegnungen mit Journalisten - das alles liest sich wie das Drehbuch zu einem Roadmovie. Die Geschichten enthalten viel Überflüssiges, aber auch interessante Details über die Finanzen von Wikileaks und zahlreiche hübsche Anekdoten. Als Domscheit-Berg mit Ursula von der Leyen und Ministeriumsmitarbeitern über Internetzensur und Kinderpornografie diskutierte, saß ausgerechnet ein kleines Mädchen mit im Raum. Angeblich war es einer Mitarbeiterin nicht gelungen, eine Betreuung für das Kind zu finden. Für die damalige Familienministerin von der Leyen offensichtlich kein Problem - sie lächelte.