Die Verbannung eines neuen Winnetou-Buchs wegen angeblichen Rassismus’ schlägt hohe Wellen. Der Sulzer Karl-May-Experte Ralf Bausch kritisiert den Verlag – und warnt davor, Mindermeinungen den öffentlichen Diskurs bestimmen zu lassen.

»Eigentlich habe ich dafür keine Worte«, sagt Ralf Bausch im Gespräch mit der Lahrer Zeitung. »Als Kind gab es für mich nichts Schöneres als die Geschichten über Winnetou, Tausenden ging es wie mir. Dass der heutigen jungen Generation diese Faszination jetzt genommen werden soll, ist einfach nur traurig.«

 

Der Ravensburger Verlag hat, wie berichtet, unter anderem ein Buch zum Kinofilm »Der junge Häuptling Winnetou« zurückgezogen. Seit gut einer Woche ist der Titel nicht mehr erhältlich, weil er im Internet für Proteste gesorgt hatte. Vor allem in den sozialen Netzwerken wurde kritisiert, dass der Stoff von Karl May fremdenfeindliche Stereotypen bediene, die ihren Ursprung im Kolonialismus haben. Zudem steht der Vorwurf der kulturellen Aneignung im Raum, also die Übernahme von Merkmalen der Kultur der Indigenen.

Keine historischen Figuren

Ralf Bausch hat 2014 und 2021 zwei Interviewbände mit Protagonisten des Winnetou-Kosmos herausgebracht, kennt die von Karl May erschaffene Welt  wie nur wenige: »Die Erzählungen sind als Märchen ausgelegt, sie haben nicht den Anspruch, die wahre Geschichte des amerikanischen Kontinents wiederzugeben.« Der Autor habe Moral und Werte, Freundschaft und Treue vermitteln wollen, erklärt der 55-Jährige: »Winnetou und Old Shatterhand sind keine historischen Figuren, sie wurden als Vorbilder, als Idealbild, für die Menschheit erschaffen.« Was, fragt Bausch, solle daran heute verkehrt sein?

Ravensburger hatte sich nach der Kritik öffentlich entschuldigt: Es sei nie die Absicht gewesen, mit den Titeln die Gefühle anderer zu verletzten, schrieb der Verlag. Der sonst sensible Umgang mit den vorgebrachten Themen sei bei den  Winnetou-Titeln leider nicht gelungen.

May habe "nichts Böses gewollt"

Eine Reaktion, die Bausch nicht nachvollziehen kann: »Nur weil sich eine kleine Clique von Miesmachern beschwert, zieht man ein Buch zurück und rüttelt damit an einem Mythos? Was wird als Nächstes verboten: Filme mit Autos, weil sie dem Klima schaden?« Er halte es nicht nur für bedenklich, wie viel Einfluss Einzelnen zugestanden werde, deren Argumentation sei im aktuellen Fall auch schlicht falsch, erklärt der Sulzer: Karl May habe nichts Böses gewollt, im Gegenteil: Er sei einer der ersten Wildwest-Autoren gewesen, die den Völkermord der Kolonialisten an den amerikanischen Ureinwohnern dargestellt und angeprangert habe.

Freundschaft zu Marie Versini

Bausch hat während der Arbeit an seinen Büchern viele Freundschaften geschlossen, etwa zu Marie Versini, der Darstellerin der Häuptlingsschwester Nscho-tschi, die ihn bis zu ihrem Tod im vergangenen Jahr regelmäßig in Sulz besuchte. »Marie war wie Pierre Brice total weltoffen. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass die beiden diese Debatte nicht mehr miterleben müssen. Sie wären entsetzt.«

Bausch ist nicht der einzige Kritiker der Kritiker. So hat der Karl-May-Verlag angekündigt, »standhaft« bleiben zu wollen, seine Bücher weiter anzubieten. »Ich hoffe, dass die Gegenbewegung stark genug wird, um weiteren Schaden von Karl Mays Vermächtnis fernzuhalten.« Zum Beispiel von den  Winnetou-Aufführungen in Bad Segeberg, um die nun ebenfalls eine Diskussion entbrannt ist.

Info - Der Film läuft weiter

Während das begleitende Buch aus den Regalen der Händler verschwunden ist, läuft der Film »Der junge Häuptling Winnetou« weiter in den Kinos. Ralf Bausch hat ihn bereits gesehen  – und ist angetan: »Es ist ein guter Film für Kinder, aber auch für Erwachsene mit einigen positiven Botschaften.« Die nächste Vorführung im Lahrer Forum-Kino ist am morgigen Freitag, Beginn 17.30 Uhr. Es gibt keine Altersbegrenzung.