Ein neues Beratungszentrum soll Mittelständlern wie Handwerkern im Landkreis den Weg zur Digitalisierung weisen. Gemäß einer aktuellen Studie gefährdet neue Technik 28 Prozent der alten Arbeitsplätze.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Böblingen - Mancher Festredner bemüht Vergleiche mit dem Silicon Valley, wenn auch in aller schwäbischen Bescheidenheit. Am Montag ist in Böblingen das Zentrum für Digitalisierung eröffnet worden, formal eine Firma, die unter der Regie des Landratsamts steht. Elf Mitarbeiter werden in ihr künftig Unternehmer auf ihrem Weg in eine digitale Zukunft beraten. Dem Geschäftsführer Claus Hoffmann steht dafür ein Etat von zwei Millionen Euro zur Verfügung, verteilt auf drei Jahre. Google beschäftigte 2017 gut 80 000 Mitarbeiter, die einen Gewinn von 12,6 Milliarden Dollar erwirtschafteten, um nur einen der Branchengiganten zu nennen.

 

Zur Eröffnung der Aufholjagd empfängt ein digitaler Bassklang die Gäste. Eine immer wiederkehrende Abfolge von sechs Tönen schallt aus Lautsprechern in den Saal. Der Name des Ortes gemahnt, den Fortschritt nicht zu unterschätzen. Es ist das Herrman-Hollerith-Zentrum, ein Ableger der Hochschule Reutlingen. Dort hat sich das Böblinger Digitalisierungszentrum eingemietet. Hollerith erfand Ende des 19. Jahrhunderts – als Sohn deutscher Einwanderer in Amerika – die Lochkartenmaschine, mithin den Urcomputer, auf den die Gründung von IBM zurückgeht.

Zehn reginale Zentren sollen mit Zuschüssen des Landes entstehen

„Dies ist ein Festtag, der in die Geschichte des Landkreises eingehen wird“, sagt der Landrat Roland Bernhard. Dessen Bedeutung untermalt der Besuch der Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Eine der zwei Millionen Euro des Digitalisierungszentrums stammt aus ihrem Haus, aus dem Förderprogramm für regionale Digitalisierungszentren, anglizistisch gern digital Hubs genannt. Zehn von ihnen sollen im Land entstehen.

Neben der Entwicklung von der Lochkartenmaschine zum Smartphone mahnen aktuelle Statistiken, den Fortschritt nicht zu unterschätzen. Laut der Statistik wird Technik in nicht allzu ferner Zukunft 28 Prozent aller Berufe überflüssig machen. Betroffen sind bei weitem nicht nur Hilfsarbeiten. Noch vor zwei Jahren war diese Zahl auf 17 Prozent hochgerechnet worden. Gemäß einer anderen Schätzung sind gut die Hälfte aller Berufe noch nicht einmal erfunden, die heutige Grundschüler für ihre Erwerbsleben erlernen werden. Hoffmeister-Kraut warnt, dass gerade im Automobillandkreis Böblingen „Erfolg auch eine Gefahr sein kann“ – sofern der Erfolgreiche in Selbstgefälligkeit verharrt.

Kaum ein Mittelständler investiert in seine digitale Zukunft

Porsche oder Daimler, mehr noch IBM oder HP, brauchen selbstredend keine Nachhilfe in Fragen der Digitalisierung. Im neuen Zentrum sollen ausschließlich kleine und mittlere Unternehmen beraten werden, gleich ob Heizungsinstallateure oder Automobilzulieferer. Gerade sie „agieren sehr zögerlich“, sagt die Ministerin. Gemäß einer Studie der Hypovereinsbank hat bisher lediglich jeder fünfte Mittelständler in die Digitalisierung investiert.

Dafür scheint es auch keinen Anlass zu geben. „Wenn Sie einem Mittelständler sagen, Du brauchst ein neues Geschäftsmodell, schmeißt er sie raus“, sagt Günther Leßnerkraus, der die Digitalisierungsabteilung im Wirtschaftsministerium leitet. Der Mehrzahl der Unternehmen gelingt es derzeit kaum, bestehende Aufträge abzuarbeiten. „Die Vision ist das Gemeinsame, wir müssen Digitalisierung konkret greifbar machen.“ So formuliert es Claus Hoffmann, der Zentrumsleiter. Einem Handwerker dürfte der Griff zum Schraubenschlüssel deutlich konkreter scheinen, aber es geht eben darum zu erahnen, was in fünf Jahren Erfolg verspricht, nicht morgen.

Eine Ahnung von dem Schatz, der zu heben ist, geben die Datenschutzhinweise auf der Internetseite des Zentrums, immerhin einer staatlichen Einrichtung. Die Zusammenfassung liest sich so: Personenbezogene Daten werden erfasst, abgeglichen, gespeichert und weitergegeben, auch an Partner außerhalb Europas. Widerspruch ist persönlich einzureichen.