In konservativen Kirchenkreisen gelten Yoga oder Zen-Meditation als Teufelswerk. Doch diesen Weg der Verteuflung geht die katholische Kirche in Stuttgart nicht. Ganz im Gegenteil. Die Kirche St. Fidelis im Stuttgarter Westen wird zu einem spirituellen Zentrum umgebaut, das auch fernöstliche Praktiken einbindet.

Stuttgart - In konservativen Kirchenkreisen gelten Yoga oder Zen-Meditation als Teufelswerk. Immer wieder hört man Mahnungen, dass aufrechte Christen die Finger von den fernöstlichen Praktiken lassen sollten. Doch diesen Weg der Verteuflung geht die katholische Kirche in Stuttgart nicht. Ganz im Gegenteil. „Wichtig ist es zu fragen, was die Menschen etwa an Yoga und Zen anzieht“, sagt die Dekanatsreferentin Kirstin Kruger-Weiß, „wir müssen die Bedürfnisse der Menschen mit unserem christlichen Traditionsschatz in Verbindung bringen.“

 

So weit entfernt ist beispielsweise die Zen-Meditation nicht von einer bestimmten christlichen Tradition. Die mittelalterlichen Mystiker – allen voran Meister Eckhart – suchte in der Meditation die Verbindung zu Gott. In unserer Zeit hat der inzwischen verstorbene Jesuiten-Pater Hugo Makibi Enomiya-Lassalle diese Tradition wieder aufgenommen. Lassale, der auch Zen-Meister war, riet: Christen sollten sich in der Meditation statt auf das buddhistische Nichts auf den christlichen Gott hin ausrichten.

Dies können Stuttgarter Christen vom Jahr 2019 an im neuen spirituellen Zentrum umsetzen. Das neue Zentrum entsteht in der Kirche St. Fidelis im Stuttgarter Westen, die zu diesem Zweck umgebaut wird. „Mit dem spirituellen Zentrum wollen wir in der Großstadt Menschen ansprechen, die auf Sinnsuche sind, aber auch diejenigen, die im Christentum ihre Heimat haben“, sagt die Dekanatsreferentin.

Christentum als Schatz an Spiritualität

Es soll ein Ort der Stille und des Auftankens mitten in der Stadt werden, eine Anlaufstelle für Menschen, die nach dem Sinn des Lebens suchen oder nach Kraftquellen für den Alltag. „In Stuttgart finden sich viele Anbieter für Spiritualität, aber die christlichen Kirchen sind kaum darunter. Dabei hat das Christentum einen reichen Schatz an Spiritualität zu bieten“, so Kirstin Kruger-Weiß. Die Theologin hat in den vergangenen Monaten vergleichbare Zentren besucht und mit den Eckpunkten des Stuttgarter Konzeptes abgeglichen.

Im Stuttgarter Zentrum soll es Angebote zur Alltagsgestaltung geben, sollen Kunst, Literatur, Film und Theater mit eingebunden werden, vorgesehen sind Kurse zur Körperwahrnehmung, Übungen in Achtsamkeit, Meditationen und meditative Gottesdienste. „Wir brauchen Angebote über die klassische Gemeindearbeit hinaus, für die Menschen, die sich der Kirche zugehörig fühlen, aber die eben nicht mehr den Sonntagsgottesdienst besuchen“, sagt Kirstin Kruger-Weiß.

Damit das Spirituelle Zentrum starten kann, muss die Kirche St. Fidelis in der Seidenstraße im Westen umgebaut werden. In die denkmalgeschützte Kirche soll ein Binnenchor eingebaut werden, damit ein Raum beispielsweise für Meditationen entsteht. Außerdem soll der Altar versetzt werden. Saniert wird außerdem das Pfarrhaus, in dem die Büroräume für das Spirituelle Zentrum, für das Kirchenmusikalische Zentrum sowie Räume für die spanische Gemeinde entstehen sollen.

Mit in die Planung eingebunden ist die Kölner Architektin Maria Schwarz, die bereits vor mehr als 50 Jahren die Innensanierung von St. Fidelis geplant hat. Die heute 96-Jährige führt seit dem Tod ihres Mannes das Architekturbüro Schwarz und Partner weiter. Rudolf Schwarz gilt als einer der bedeutendsten modernen Kirchenbauer. Maria Schwarz selbst war bis zum Jahr 2008 Lehrbeauftragte für Sakralbau an der Technischen Universität München. „Unsere Bauwerke sind unsere Kinder“, sagt die alte Dame über das gemeinsame Werk mit ihrem Mann, zu dem sie auch die Kirche St. Fidelis im Stuttgarter Westen zählt.