Dickson Oppong war ein Star der alten Show, und er ist ein Star der neuen. Er beherrscht die Kunst, Wasser aus seinem Inneren nach Bedarf fontänenartig in die Luft zu prusten. Die neue Show findet der Ghanaer „noch großartiger“ als die alte. „Damals habe ich mit neun Schüsseln jongliert, jetzt sind es zehn.“ Er war dabei, als die Show vor vier Jahren förmlich zerbröselte. Er ist vorsichtig: „Jeder macht Fehler“, sagt er, „und einige Artisten hatten wohl das Gefühl, sie hätten zu wenig Geld erhalten.“ Nein, er nicht. „Für mich war es gut“, sagt er. Er hat auch nicht gestreikt.

 

Dickson Oppong ist einer der wenigen Künstler von damals, die heute noch dabei sind. Die meisten sind neu, so wie Helene Sano, die Kontorsionistin, die zu „Afrika! Afrika!“ wollte, seit eine Freundin von ihr damals in der Show mitmachte. „Wenn der Applaus aufbrandet, spüre ich keinen Schmerz“, sagt die Frau aus Guinea, die sich verbiegt, als nehme ein Gummiband die Funktion ihrer Wirbelsäule wahr.

Der Schmerz. Die Armut. Die Ungerechtigkeit: „Afrika! Afrika!“ startete anno 2006 zu einer Zeit durch, als die Nachrichtenmagazine traurige Geschichten druckten, die von einem vergessenen Kontinent erzählten, der abgehängt von der Weltentwicklung im Elend versinke. Jetzt hingegen druckte der „Spiegel“ eine Serie, die das aufstrebende Afrika zum Thema hatte, und „Afrika! Afrika!“ wagt ein Comeback.

Blick auf einen vergessenen Kontinent

Klar: die Veränderungen in Afrika und die veränderte Wahrnehmung des Kontinents in den Medien sind nicht André Hellers Verdienste. Aber er hat von Anfang an in genau diese Richtung gearbeitet. Er sagt: „Das finde ich einen erbärmlichen Rassismus, dass Leute, die arm sind, nur im Elend gezeigt werden dürfen. Das hieße ja, dass – wenn in Deutschland Hochwasser ist – dort kein Shakespeare aufgeführt werden darf und die Berliner Philharmoniker nicht spielen dürfen.“

Auch seinen ehemaligen „Afrika! Afrika!“-Partner Matthias Hoffmann hatte das Glück verlassen. Der stellte schon Ende 2009, gleich nach dem Ende der Afrika-Show eine neue Produktion namens „India“ auf die Beine, ohne André Heller, dafür mit dem ehemaligen Cirque-du-Soleil-Regisseur Franco Dragone. Doch auch „India“ schlitterte nach wenigen Monaten mit viel zu wenigen Zuschauern in die Insolvenz.

Nun probieren es die Staunmarke Heller und die Tourneemarke Hoffmann erneut miteinander, wenn auch mit neuer Rollenverteilung: Produziert wird die aktuelle „Afrika! Afrika!“-Variante von André Hellers Firma Artevent in Wien. Die „Afrika! Zirkus- und Veranstaltungs-GmbH & Co. KG“ darf nur noch die Tournee veranstalten, als deren Geschäftsführerin firmiert Faiza Hoffmann, die Frau von Matthias Hoffmann, die einst als Praktikantin zu „Afrika! Afrika!“ kam.

Heller sagt: „Ich bin das Auge der Show.“

Matthias Hoffmann steht nicht mehr im Programmheft. Er kommt erkältet zur Premiere in Frankfurt, will jedoch nicht mit der Presse sprechen. „Er bringt im Hintergrund seine Erfahrungen ein“, erklärt die „Afrika!-Afrika!“-Pressestelle. André Hellers Name steht im Programmheft ganz vorne unter der Rubrik „Idee und künstlerische Gesamtleitung“.

Wenn man ihn fragt, was er bei „Afrika! Afrika!“ genau macht, antwortet Heller mit zwei dieser Sätze, die früher mal Eingang in seine schönen Lieder hätten finden können und manchmal noch in seinen Büchern stehen: „Ich bin das Auge der Show und sage dann, was ich denke. Und ich bin ein ziemlich verwöhnter Fratz!“

Eigentlich habe er wirklich mit der Show abgeschlossen, erzählt André Heller. Aber dann habe er gemerkt, dass – beflügelt von Youtube – eine neue Artistengeneration in Afrika herangewachsen sei. „Da braute sich was zusammen, und wer bin ich, dass ich es verhindere?“

Lagerkoller, Feindschaften und Liebesgeschichten

Aber er habe gelernt, sagt er. Vom Lagerkoller, von den Feindschaften und den Liebesgeschichten. „Nach einem Dreivierteljahr waren alle heimwehkrank und aus dem Gleis“, sagt Heller. Jetzt ist die Tournee deutlich kürzer, von Oktober bis April, ein gutes halbes Jahr, nicht mehr in Zelten, sondern in Hallen, ein Tag Passau, zwei Tage Freiburg, elf Tage Stuttgart, aber vorher noch dreieinhalb Wochen in Wien. Wien ist Heller wichtig. Seinen Artisten sagt er vor dem Auftritt in Frankfurt: „Wenn wir in Wien nicht so gut sind, wie wir sein können, wäre das eine Schande!“ Über seine Artisten sagt er: „Ich bin ein Bewunderer ihrer Hoffnungen und tue viel, damit diese Hoffnungen nicht versanden. Aber ich wünsche mir immer, dass ein anderer kommt, der das weiterführen kann.“

Mit dem anderen meint er Georges Momboye, den Choreografen der Show, damals schon und jetzt wieder. „Wenn diese Show schon nach einem halben Jahr enden würde, wäre das eine große Schande“, sagt der Mann aus der Elfenbeinküste, der normalerweise in Paris tanzt und choreografiert und der nun dafür verantwortlich ist, die rasanten Bewegungen der Tänzer aus dem heimeligen Zirkusrund von damals vor eine LED-Wand von heute zu transferieren. Er vermisst die Zelte, die Heller damals „Zeltpaläste“ nannte: „Ein Zelt ist wie ein Heimatdorf“, sagt Momboye.

„Zehnmal so viel Arbeit“ sei die Hallentournee, sagt Emily Woods aus New York, die schon in den Zelten als Künstlerbetreuerin gearbeitet hat und jetzt wieder. Aber sie liebe es, sagt sie. Für sie ist die Show eine Art Medizin gegen Rassismus. Kurz bevor das Publikum in die Halle strömt, muss sie noch mal los: Dickson Oppong, dem „Waterman“, fehlt ein Regenschirm für seine Nummer, der flugs irgendwo gekauft werden muss. Aber leider hat jemand vergessen, das Auto zu betanken.

Der Star der Show

Dickson Oppong war ein Star der alten Show, und er ist ein Star der neuen. Er beherrscht die Kunst, Wasser aus seinem Inneren nach Bedarf fontänenartig in die Luft zu prusten. Die neue Show findet der Ghanaer „noch großartiger“ als die alte. „Damals habe ich mit neun Schüsseln jongliert, jetzt sind es zehn.“ Er war dabei, als die Show vor vier Jahren förmlich zerbröselte. Er ist vorsichtig: „Jeder macht Fehler“, sagt er, „und einige Artisten hatten wohl das Gefühl, sie hätten zu wenig Geld erhalten.“ Nein, er nicht. „Für mich war es gut“, sagt er. Er hat auch nicht gestreikt.

Dickson Oppong ist einer der wenigen Künstler von damals, die heute noch dabei sind. Die meisten sind neu, so wie Helene Sano, die Kontorsionistin, die zu „Afrika! Afrika!“ wollte, seit eine Freundin von ihr damals in der Show mitmachte. „Wenn der Applaus aufbrandet, spüre ich keinen Schmerz“, sagt die Frau aus Guinea, die sich verbiegt, als nehme ein Gummiband die Funktion ihrer Wirbelsäule wahr.

Der Schmerz. Die Armut. Die Ungerechtigkeit: „Afrika! Afrika!“ startete anno 2006 zu einer Zeit durch, als die Nachrichtenmagazine traurige Geschichten druckten, die von einem vergessenen Kontinent erzählten, der abgehängt von der Weltentwicklung im Elend versinke. Jetzt hingegen druckte der „Spiegel“ eine Serie, die das aufstrebende Afrika zum Thema hatte, und „Afrika! Afrika!“ wagt ein Comeback.

Blick auf einen vergessenen Kontinent

Klar: die Veränderungen in Afrika und die veränderte Wahrnehmung des Kontinents in den Medien sind nicht André Hellers Verdienste. Aber er hat von Anfang an in genau diese Richtung gearbeitet. Er sagt: „Das finde ich einen erbärmlichen Rassismus, dass Leute, die arm sind, nur im Elend gezeigt werden dürfen. Das hieße ja, dass – wenn in Deutschland Hochwasser ist – dort kein Shakespeare aufgeführt werden darf und die Berliner Philharmoniker nicht spielen dürfen.“

Die neue Show zeigt kein Elend. Sie ist bunt, rasant, artistisch hochkarätig, und in ihren stärksten Momenten zeigt sie selbstbewusstes Können in karger Direktheit noch konzentrierter als damals die opulente Zeltvariante: Ein Mann erklimmt eine Leiter, die nirgendwo lehnt. Ein anderer ringt einem Basketball ganz ohne Korb Staunewelten ab. Wieder andere bauen vierstöckige Körperpyramiden. Allerdings ist mit dem Zelt auch die gebärmutterartige Hülle verschwunden, die den hellhäutigen Zuschauern die Illusion vermitteln konnte, selbst Teil einer vor Lebensfreude strotzenden Kraftprobe mit der Trübsal zu sein. Andererseits: vielleicht ist das nur gerecht.