Ministerpräsident Winfried Kretschmann ist zum Auftakt der Heimattage Baden-Württemberg zum Neujahrsempfang nach Winnenden gekommen. Ein zentraler Punkt seiner Rede war der Amoklauf in der Stadt im Jahr 2009. Dieselfahrverbot, Remstal-Gartenschau, Pflege und Digitalisierung prägten die Empfänge in Schorndorf und Backnang.

Winnenden - So voll dürfte es beim Neujahrsempfang in der Winnender Hermann-Schwab-Halle selten gewesen sein: Zahlreiche Gäste mussten am Samstagabend stehen, wenn sie sich die Festrede von Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht entgehen lassen wollten. Denn der Neujahrsempfang bildete den Auftakt der Heimattage Baden-Württemberg, die in diesem Jahr in Winnenden zu Gast sind. „Sie und Ihre Stadt werden daraus etwas Besonderes machen“, sagte Kretschmann, bevor er auf den Amoklauf in Winnenden und Wendlingen im Jahr 2009 einging. Der zehnte Jahrestag der Tat war mit ausschlaggebend, die Stadt dieses Jahr als Gastgeber auszuwählen.

 

So ein Gedenken reiße immer auch Wunden auf, die Schmerzen der Hinterbliebenen der Opfer seien „bis heute da“, so der Ministerpräsident. Gleichzeitig erinnerte er an die große Welle des Zusammenstehens, der Hilfsbereitschaft und der Solidarität, die auf den Amoklauf gefolgt sei. Er bezeichnete die Tat als „extremes Ausnahmeverhalten“, gegen das es „keinen absoluten Schutz“ geben könne. „Das zeigt uns, wie wichtig und zentral Halt und Orientierung in einer Gesellschaft sind“, betonte Kretschmann.

Das Streben nach Glück

Um das Vertrauen der Menschen in die Politik zu stärken, brauche es eine einfache, kompetente Sprache ohne übertriebene Political Correctness, wobei aber natürlich auf angemessene Wortwahl geachtet werden müsse. „Da kann auch mal was verrutschen“, gab der Ministerpräsident zu. Politik müsse verlässlich sein, Grundsätze und Prinzipien haben, sie brauche Mut. Und schließlich gehe es um Wahrhaftigkeit: Kretschmann bezeichnete es als fatalen Irrtum zu glauben, Politik sei dazu da, die Menschen glücklich zu machen. Stattdessen müsse sie das Streben des Einzelnen nach Glück in Frieden und Freiheit ermöglichen. Gleichzeitig solle sich aber auch jeder Bürger fragen: „Was tue eigentlich ich, um die Welt, in der ich lebe, etwas besser zu machen?“

In Baden-Württemberg könne sich die Politik auf eine engagierte Bürgerschaft stützen, lobte Kretschmann. Er forderte die Anwesenden auf, sich an den Kommunal- und Europawahlen in diesem Jahr zu beteiligen und nicht nur solche Kandidaten zu wählen, „die nur rummaulen“. In Hinblick auf 70 Jahre Grundgesetz erklärte er, man dürfe sich die Erfolge der Demokratie nicht schlecht machen lassen. Der Ministerpräsident rief die Winnender dazu auf, aufrecht, zuversichtlich und selbstbewusst in das neue Jahr zu gehen.

Der Oberbürgermeister Hartmut Holzwarth hatte Kretschmann zuvor für die „großartige Unterstützung“ des Landes bei der Bewältigung des Amoklaufs gedankt. „Unsere Stadt hat sich mit diesem Einschnitt sehr verändert“, erklärte Holzwarth. Psychologische Nachsorge, neue Sicherheitsmaßnahmen, Straf- und Zivilrechtsverfahren sowie Rituale und Formen des Gedenkens hätten die Jahre danach geprägt. Die Lücke, die der Amoklauf gerissen habe, bliebe offen: „Wir spüren sie noch immer“, sagte der Oberbürgermeister.

Schorndorf: Im Zeichen der Gartenschau

Ein wichtiges Thema beim Neujahrsempfang der Stadt Schorndorf war die Remstal-Gartenschau. „Uns erwartet ein ganz besonderes Jahr“, sagte Oberbürgermeister Matthias Klopfer am Freitagabend in der Barbara-Künkelin-Halle und wies auf die unzähligen Veranstaltungen im Rahmen der Gartenschau hin. „Wir haben wahre Gartenschaugeschichte geschrieben“, so Klopfer. Niemals zuvor sei eine Gartenschau entlang eines kompletten Flusslaufs realisiert worden. Das Ziel des gesamten Remstals sei es, Naherholungsgebiet Nummer eins der Region Stuttgart zu werden und gleichzeitig den Wirtschaftsstandort zu stärken: „Meine Vision: Wenn in Zukunft einer von uns in Deutschland gefragt wird, wo wir wohnen, antworten wir: im Remstal. Und jeder weiß dann, wo das ist“, so Klopfer. Was die Remstal-Gartenschau betrifft, sei er sich sicher, dass „wir die Früchte auch in den Jahren und Jahrzehnten danach noch ernten werden“. Allein die Renaturierungsmaßnahmen der Rems rechtfertigten dieses Projekt.

In seiner Rede erklärte Klopfer zudem die Themen Pflege und Digitalisierung zu den zentralen Herausforderungen für 2019.

Backnang: Aufreger Dieselfahrverbot

Beim Backnanger Neujahrsempfang hat Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) am Freitagabend im Bürgerhaus mit Blick auf den Ausbau der Bundesstraße 14 und des Autobahnzubringers erklärt: „Jetzt müssen Bund und Land aber auch tatsächlich in die Gänge kommen und handeln.“ Der Stadtchef zitierte Goethe und erklärte, der Worte seien genug gewechselt, „lass mich auch Taten sehen“. Es sollte doch möglich sein, im Jahr im Durchschnitt einen Kilometer der neuen B 14 zu bauen, und wenn das gelinge, „könnten wir das Ziel Vierspurigkeit bis zum Wasserturm 2026 erreichen“.

Dann widmete sich Nopper „dem Aufregerthema Nummer eins“, dem Dieselfahrverbot, und sprach von einem Trauerspiel in mehreren Akten. Er frage sich, ob Deutschland „wirklich immer überakkurat“ das geltende EU-Recht umsetzen müsse. Andere Staaten handelten laxer. Die Stadt habe bereits einiges getan, um die Luftqualität zu verbessern. Womöglich werde Tempo 40 eingeführt und ein Lkw-Durchfahrtsverbot erlassen. Fahrverbote für Pkw indes seien unverhältnismäßig. Für diese Aussage gab es donnernden Applaus von den Gästen, die heuer – wohl wegen des Schneefalls – nicht ganz so zahlreich erschienen waren wie in manch einem Vorjahr.

Viele Arbeitsplätze hängen am Automobil

Nopper sagte, er habe den Eindruck, dass die Deutschen wegen des fast schon ein Jahrzehnt anhaltenden wirtschaftlichen Höhenflugs etwas übermütig und leichtsinnig geworden seien. „Wir sind im Automobilland Baden-Württemberg gut beraten, unsere Schlüsselindustrie und alles, was mit ihr zusammenhängt, nicht zu zerlegen.“ Allein in Backnang hingen mehr als 1500 Arbeitsplätze direkt an der Automobilwirtschaft.

Eine Neujahrsrede, so Nopper, sollte immer auch eine Mutmachrede sein. Deshalb rief er den Einsturz des Turms der Michaelskirche vor genau 500 Jahren in Erinnerung und sagte, die Backnanger hätten sich anno dazumal nicht entmutigen lassen, sondern einen noch schöneren und höheren Turm aufgebaut, „unseren großartigen Stadtturm“.