Andreas Mauerer, der neue Chef der Behinderteneinrichtung, ist offen für neue Betätigungsfelder wie die Hilfe für Autisten, sieht die Unterstützung Hörgeschädigter aber nach wie vor im Fokus.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Bei seinem ersten Neujahrsempfang in der Funktion als Vorstand und Hauptgeschäftsführer der Winnender Paulinenpflege hat Andreas Maurer die Besetzung wichtiger Stellen im Waiblinger Landratsamt angemahnt. Die entsprechenden Entscheidungsträger seien essenziell, um „gemeinsam Antworten auf komplexe Aufgabenstellungen in der Behindertenhilfe finden zu können“. Gemeint waren unter anderem die Herausforderungen in der Eingliederungshilfe von Menschen mit Handicap. Wie berichtet, sind in der Kreisbehörde, mit der unter anderem die finanziellen Aspekte der Sozialleistungen verhandelt werden müssen, die Sozialdezernentenstelle vakant und die Leitung des Jugendamts nur kommissarisch besetzt.

 

Bewegtes, aber unaufgeregtes Jahr

Maurer berichtete in seinem Rückblick vor rund 150 geladenen Gästen in der Aula des Berufsbildungswerks in Winnenden von einem „bewegten Jahr“, das aber ohne größere Aufregung verlaufen sei. Auch der Wechsel in Vorstand und Geschäftsführung – sein Vorgänger Thomas Weinmann war im Herbst nach gut 23 Jahren in dieser Funktion in den Ruhestand verabschiedet worden – sei dank langfristiger Planung reibungslos vonstatten gegangen. Andreas Maurer ist bereits seit sieben Jahren für das Sozialunternehmen tätig, zuletzt war er der Geschäftsführer für Marketing, Kommunikation und Entwicklung,

Als neuer Chef sieht er die 1823 gegründete Einrichtung indes im Wandel. „Das Klientel verschiebt sich zusehens.“ Die Hilfe für Hörgeschädigte sei längst nicht mehr das alleinige Betätigungsfeld. Auch in der Flüchtlingshilfe habe man sich in den vergangenen Jahren aus aktuellem Anlass immer stärker engagiert, und die Betreuung und Förderung von Autisten nehme mittlerweile 40 Prozent des Betätigungsfeldes ein. „Wir sind bei dem Thema der größte Anbieter in Baden-Württemberg“, betonte Maurer. Gleichwohl stehe der neue Schwerpunkt nicht etwa in Konkurrenz zu den traditionellen Kernkompetenzen.

Das hat die Paulinenpflege wohl auch mit der Wahl des Gastredners bei dem Neujahrsempfang deutlich machen wollen. Ulrich Hase ist nicht nur der Beauftragte für Menschen mit Behinderung des Landes Schleswig Holstein, er steht auch seit 1999 an der Spitze der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten. In seinem launigen Gastvortrag machte der Jurist und Honorarprofessor an der Kieler Fachhochschule für angewandte Wissenschaften, der selbst seit frühester Kindheit nahezu taub ist, auf die Situation Hörgeschädigter aufmerksam, deren weit gefasste Zahl er in Deutschland mit zwölf Millionen bezifferte. Die Ausprägung und Folgen der Hörschäden seien höchst unterschiedlich, sagte Hase, eines indes sei fast allen Betroffenen gemein: „Verunsicherung.“

Gebärdensprache für alle?

Ihre Bedürfnisse sollten ernst genommen werden. „Wir müssen dahin kommen, dass Menschen mit Behinderungen selbstbestimmt und gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilhaben können“, betonte Hase. Das bedeute indes nicht, auf Behinderteneinrichtungen zu verzichten und gehandicapte Menschen ohne Unterstützung in allen Lebensbereichen allein zu lassen, sondern vielmehr sukzessive Barrieren abzubauen. Speziell in Sachen Hörgeschädigter wäre sein Wunsch, dass auch Nichtbehinderte die Gebärdensprache erlernen. Diese sei schließlich nicht etwa ein Hilfsmittel für Gehandicapte sondern eine Sprache wie jede andere auch, durch die man den eigenen Horizont erweitern könne.