Er kam 1973 nach Ditzingen, betrieb Jahrzehnte lang einen Bürobedarf-Laden, saß im Gemeinderat und stand zwei Vereinen vor: Horst Brose erhält die Bürgermedaille – und überrascht in seiner Dankesrede.

Ditzingen - Fast ist er ein wenig verlegen, als Horst Brose in der voll besetzten Stadthalle das Wort ergreift. „Damit hätte ich nicht gerechnet, wirklich nicht“, sagt er. Im Jahr 1973 kam er als Ortsfremder nach Ditzingen – 47 Jahre später ehrt ihn die Stadt mit ihrer höchsten Auszeichnung. „Es gibt wirklich sehr freundliche Menschen in Ditzingen“, sagt er, „und ich bin jetzt selbst ein Ditzinger.“ Der emotionalste Moment am Sonntag ist, als Brose mit bewegter Stimme seiner Frau dankt: „Du hast zugelassen, dass ich das alles machen durfte.“

 

Es ist der Höhepunkt des Neujahrsempfanges der Stadt am Sonntag, wobei auch die Ehrung der Rotkreuz-Ortsvereine in der Kernstadt und in Heimerdingen nicht unerwähnt bleiben darf: Sie haben seit mehr als zehn Jahren so genannte ehrenamtliche „Helfer-vor-Ort-“Gruppen, die bei Unfällen binnen zwei bis drei Minuten zur Hilfe kommen. Und so häufig Leben retten. Sie erhalten den Bürgerpreis der Stadt.

Chef des Tennisclubs und der Selbstständigen

Die Ehrung für Horst Brose ist auch deswegen so bedeutsam, weil der Multifunktionär sich vielfach um die Stadt an der Glems verdient gemacht hat. Nicht nur hat er jahrzehntelang seinen Laden für Bürobedarf an der Weilimdorfer Straße betrieben. Der Geehrte war von 1981 bis 2020 im katholischen Kirchengemeinderat St. Maria engagiert, hat den Tennisclub von 1981 bis 1988 geleitet, war in der Kolpingsfamilie und der Bürgerstiftung führend beteiligt.

Auch dem Bund der Selbstständigen stand er von 1992 an acht Jahre lang vor und hat die Nachfolgeorganisation Aktive Wirtschaft Ditzingen (AWD) mit aufgebaut. „Wer so in Vereinen engagiert ist, den ereilt auch schnell der Ruf der Kommunalpolitik“, sagt der OB Michael Makurath. So war Brose 14 Jahre lang für die Freien Wähler im Gemeinderat – zeitweilig als ehrenamtlicher Stellvertreter des Rathauschefs. Als solcher hat er oft Jubilare besucht, wie Makurath erzählt: „Ich war fast neidisch, weil wegen seiner freundlich-zuvorkommenden Art oft nach Herrn Brose gefragt wurde.“

Die Fußballhymne des FC Liverpool zur Einstimmung

Der Oberbürgermeister hält beim Neujahrsempfang eine unterhaltsame Rede – der lang anhaltende und lautstarke Applaus zeugt davon, dass die Ditzinger durchaus wissen, was sie an ihrem Stadtoberhaupt haben. Der City-Chor intoniert zu Beginn nicht nur Beethovens „Freude schöner Götterfunken“ sondern auch die Fußballhymne des FC Liverpool „You’ll never walk alone“. Am Eingang der Halle grüßen die Maskottchen „Kelti und Welti“, eine Reminiszenz an das abgelaufene Jubiläumsjahr, in dem Ditzingen aufwendig den 1250. Geburtstag gefeiert hat.

Makurath gönnt sich einige ironische Spitzen gegen die Politik. Etwa in Richtung Ursula von der Leyen, der neuen EU-Kommissionspräsidentin: „Das ist sicher gute eine Wahl, vor allem weil Europa keine Armee hat.“ Und in Richtung Donald Trump und Boris Johnson sagt er: „Gewählt werden vermehrt Menschen ohne Frisur und Manieren, mit einem getrübten Verhältnis zur Wahrheit und einem ungezügelten Mitteilungsbedürfnis.“

Ditzingen erliegt nicht dem Populismus

Ditzingen ist sozusagen das Gegenmodell. Obwohl in einer Ratssitzung Bürger schon einmal mit Gelben Warnwesten protestiert haben, sieht der Oberbürgermeister eine gesunde Debattenkultur. Einen vernünftigen Dialog mahnt er immer wieder an, auch bei der Diskussion um den Klimawandel. Nicht panisch, sondern vernünftig solle dieser gestaltet werden. Etwa durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Dies sei wichtiger, als die S-Bahnen für 30 Millionen Euro blau zu lackieren, was in der Regionalversammlung diskutiert wird: „Die Farbe hat nämlich noch keinen gestört. Was bemängelt wird, sind Sauberkeit, Pünktlichkeit und ein nicht ausreichendes Platzangebot.“

Der Weltuntergang ist ausgeblieben

Für Ditzingen sieht Makurath weiter große Aufgaben: Investitionen von 20 Millionen Euro allein in diesem Jahr, in dem wieder Kredite aufgenommen werden müssen. Eine gute Botschaft hat das Stadtoberhaupt: „Die Gartenstraße wird fertig. Pünktlich.“ Das Volk hört’s gerne, allein der letzte Glaube fehlt noch. Makurath greift die Stimmung auf, es habe doch trotz aller Unkenrufe im Vorfeld gut geklappt, die Umleitungen hätten funktioniert. Der OB: „Der Weltuntergang wurde uns prophezeit, aber er ist ausgeblieben.“