Beim Neujahrsempfang der Gemeinde am Montag im Bürgerhaus kündigt der Bürgermeister Benedikt Paulowitsch einen „Hangweidetag“ für den Sommer an. Das künftige Wohngebiet steht symbolisch für den Weg in die Zukunft.

Kernen - Im vergangenen Jahr war Benedikt Paulowitsch noch überwiegend Beobachter, was Kernen betrifft. Dass die Remstal-Gartenschau die Gemeinde geprägt hat und in der Region „für ein neues Miteinander“ gesorgt hat, ist ihm dabei aufgefallen. Nun ist er der Bürgermeister, und er hat am Montag unzählige Hände schütteln dürfen.

 

Rund 550 Menschen saßen und standen schließlich im großen Saal

Bis zur Straße dehnte sich die Schlange der Gäste des Neujahrsempfangs im Bürgerhaus aus. Rund 550 Menschen saßen und standen schließlich im großen Saal, sie erlebten teils ernste und viele heitere Momente. Vertreter aus Nachbarkommunen kamen, darunter Fellbachs OB Gabriele Zull, viele Gemeinderäte und Aktive aus Kernens Vereinen zeigten Präsenz – jüngere Besucher waren indes in der Minderheit. Dabei liegt Kernens Bürgermeister das Miteinander von allen Generationen am Herzen. Wie das Miteinander auf Vereinsebene aussehen kann, bewiesen die Musikvereine aus Stetten und Rommelshausen: Gemeinsam umrahmten sie die Veranstaltung.

Martin und Gabriele Zull, Fellbachs Oberbürgermeisterin, werden von Benedikt Paulowitsch und seiner Partnerin Chantal Wende begrüßt. Foto: Böckeler

Die Besucher konnten zwei Generationen von Bürgermeistern beobachten. Auf der einen Seite Benedikt Paulowitsch, 31, seit Mitte November im Amt. Auf der anderen Seite der Gastredner Ivo Gönner, 67, von 1992 bis 2016 Ulmer Oberbürgermeister und mehrere Jahre Präsident des baden-württembergischen Städtetags. Auf der einen Seite ein junger Mann, der dynamisch und mit Tempo seine Rede vom Manuskript liest, auf der anderen ein ruhiger, gelassener Politikprofi, der frei spricht und seine Botschaften mit viel Humor würzt. Viel Beifall haben am Dreikönigstag beide bekommen. Paulowitsch möchte mit allen in der Gemeinde Kernen „einen Prozess beginnen“, wie er sagte. Es gelte, eine Zukunftsstrategie zu erarbeiten, die als „Kompass dienen und Orientierung geben soll“. Nicht nur das Ergebnis, insbesondere der Weg dorthin werde wichtig.

Ivo Gönner unterhielt so gut, da hätte es den Kabarettisten Klaus Birk fast nicht gebraucht

Wie das aussehen soll, könnte ein „Hangweidetag“ zeigen, den Paulowitsch für den Sommer plant. Viele Gruppierungen hätten bisher zu Diskussionen gebeten, das möchte er gerne bündeln. Die Hangweide solle eines Tages „Leben und Arbeiten auf die Art und Weise verbinden, wie wir uns die Zukunft vorstellen“. Hier könne Kernen beispielhaft zeigen, „wie Veränderungen lebbar werden“, meinte Ivo Gönner: Demografischer Wandel, neue Formen von Wirtschaft und Mobilität, auf all das müsse reagiert werden. „Da kann Kernen leuchten.“

Kernens Beigeordneter Peter Mauch im Gespräch mit Ulms Ex-OB Ivo Gönner. Foto: Böckeler

Entwicklungen wie bei der Hangweide gingen nur im Miteinander, da sind sich Paulowitsch und Gönner einig. Kernens Bürgermeister appellierte in Zeiten, in denen „soziale Medien immer häufiger zu asozialen Medien werden“, zu mehr Achtsamkeit. „Man schreibt im Internet nur das, wofür man sich vor seinen Kindern oder beim Blick in den Spiegel nicht zu schämen braucht.“ Meinungsunterschiede seien keine Feindschaft, sondern gelebte Demokratie und Vielfalt. „Der Kompromiss ist der Garant für ein friedliches Zusammenleben.“ Ivo Gönner fasste es auf seine Art zusammen: „Nicht Wut und Spaltung, sondern Mut und Haltung“ sollten die Botschaft sein. Für die Verwaltungen empfahl er in Sachen Reglementierungen weniger statt mehr. In Ulm habe einst eine Abteilung alle Bauverordnungen gezählt, eine andere habe alle gelesen – und er selbst habe sie gleichwohl nicht verstanden, sagte er und hatte die Lacher ebenso auf seiner Seite wie beim Rat an Eltern, den Nachwuchs auch mal loszulassen. „Viele Kinder werden so umsorgt, dass sie fast lebensunfähig werden.“

Ivo Gönner unterhielt so gut, da hätte es den Kabarettisten Klaus Birk fast nicht gebraucht. Der gab ein Best-of seiner Programme zum Besten – und dem Publikum einen Rat, den neu gewählten Bürgermeister betreffend: „Gucken Sie, dass Sie ihn halten können – wenn er sich halten lässt.“ Das musikalische Finale des offiziellen Programms gestalteten die Sternsinger. Rund 120 Jugendliche waren in den vergangenen Tagen in Stetten und Rommelshausen auf Achse, gut 33 000 Euro sammelten sie dabei für gute Zwecke. Ein paar Euro kamen sicher am Montag dazu: Der Weg zum Ständerling mit kostenfreien Getränken und Häppchen führte an Spendenkässchen vorbei. „Sprechen Sie mal mit Menschen, die Sie noch nicht kennen“, gab Benedikt Paulowitsch eine Empfehlung für die Begegnungen: „Das bringt neue Sichtweisen.“