An die Solidarität der Stadtgesellschaft appellierte Oberbürgermeister Christof Bolay beim Neujahrsempfang in Ostfildern. Damit läutete er die Feiern zum 50-jährigen Bestehen der Reformstadt ein.
Mit Mut und Zuversicht blickt Ostfilderns Oberbürgermeister Christof Bolay dem neuen Jahr entgegen. Angesichts von Kriegen und Krisen sind das große Worte. 2025 feiert die Stadt ihr 50-jähriges Bestehen. „Ich bin dankbar für jede und jeden, die oder der sich in den letzten 50 Jahren in unsere Stadt eingebracht hat“, sagte der OB beim Neujahrsempfang im Nellinger Kubino. Eine solidarische Stadtgesellschaft, wie er sie schon jetzt erlebt, das ist auch Bolays großer Zukunftswunsch. Dazu gehört für ihn gerade jetzt, Geflüchtete in das kommunale Leben zu integrieren.
Dass das soziale Miteinander in Ostfildern bestens klappt, schätzt Christof Bolay so wie auch die vielen Gäste, die zum Neujahrsempfang gekommen waren. Dennoch verwies der OB in seiner Rede auch auf die Vielfalt, die für ihn neben „gelebter Solidarität“ ein zentrales Element des Gemeinwesens ist. Dennoch müsse allen bewusst sein, „dass wir nicht alle gleich sind“.
Manche Menschen benötigen mehr Unterstützung
Denn es gebe Menschen oder Gruppen, die mehr an Unterstützung benötigten. Sie bekämen diese Unterstützung auch selbstverständlich: „Genauso wie es Menschen und Gruppen gibt, die mehr leisten können. In jederlei Hinsicht. Auch das zeichnet Ostfildern aus. Dass wir den weiten Blick haben. Alle in unserer Stadt mitnehmen. Alle einbeziehen.“
Über die Feiertage habe er das Buch „Der Patriot“ gelesen, das der in russischer Gefangenschaft zu Tode gekommene Oppositionspolitiker und Jurist Alexej Nawalny geschrieben hat. Angesichts dieser Weltlage relativierten sich viele „Aufregerthemen“, die Bolay auf kommunaler Ebene beobachtet.
Der Rathauschef lenkte in seiner Rede den Blick auf die Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen. Und er hob die Bedeutung geflüchteter Menschen für unsere Gesellschaft hervor: „Manche überbieten sich ja gerade schon in Fantasien, wer alles möglichst schnell wieder aus Deutschland raus sollte. Ich bin nicht ganz sicher, ob das alles zu Ende gedacht ist.“ Denn gerade angesichts des Pflegenotstands seien diese Menschen als Arbeitskräfte wertvoll.
Abschließend ging Bolay im gut besuchten Kubino auf die Finanzlage ein, die sich langfristig verschärfe. Es gelte, notwendige Entscheidungen zu treffen. Mit den vorhandenen Möglichkeiten wolle man das Beste erreichen. „Wir werden die nächsten 50 Jahre nicht so weiter machen können, wie das in den ersten 50 Jahren der Stadt Ostfildern der Fall war. Sparzwänge überschatten das Stadtjubiläum. Dennoch erinnerte der OB an sein Jahresmotto, denn gerade in schwierigen Zeiten seien Mut und Zuversicht für ihn wichtiger denn je.
Auf den Plätzen fanden die Gäste anspruchsvoll gestaltete Broschüren mit den Veranstaltungen zum Jubiläum. Viele Vereine, Organisationen und Kirchen tragen dazu bei, dass die Reformstadt ihre ersten 50 Jahre gebührend feiert. Ein Meilenstein war für Bolay der neue Stadtteil Scharnhauser Park, der sich zur Mitte der Reformstadt entwickelt habe. Um dessen Bedeutung zu unterstreichen, veranstaltet der Bürgerverein Die Schapanesen den ersten Tag des zentralen Jubiläumswochenendes am 12. und 13. Juli.
„Da es im neuen Stadtteil noch gar keine gewachsenen Vereinsstrukturen gab, haben wir den Bürgerverein gegründet“, blickt Jürgen Kleih auf die Anfänge vor 25 Jahren zurück. Seitdem beleben die Schapanesen den neuen Stadtteil mit Flohmärkten, Kinoabenden, sportlichen Events und vielen anderen Aktivitäten. Auch mit der Kommunalpolitik beschäftigt sich der Verein, den Ulrike Weitz leitet, intensiv. Auch für die gesamte Reformstadt hat der neue Stadtteil nach Kleihs Ansicht „viele Impulse gegeben“. Durch die Landesgartenschau, die 2002 in Ostfildern stattfand, hätten viele Menschen aus den anderen Stadtteilen die Begegnung mit den neuen Bewohnerinnen und Bewohnern gesucht. Dass der Scharnhauser Park „gerade in Sachen Klimaschutz ein Modellprojekt ist“, macht Kleih stolz. Da hebt der ehemalige Stadtrat der Grünen den Vorbildcharakter hervor.
Auf 100 Jahre Vereinsgeschichte blickt der Obst- und Gartenbauverein Ruit zurück. Das feiert der Verein am Samstag, 24. Mai, mit einem Festakt in der Waldheimhalle. Wie klappt das Miteinander der Obst- und Gartenbauvereine (OGV), die in den Stadtteilen bis heute unabhängig sind? „Durch den Gartentraum im Scharnhauser Park haben wir nun ein gemeinsames Projekt, das wir zusammen planen und veranstalten“, sagt Karin Böhmerle, die Vorsitzende des OGV Ruit. Dennoch findet sie es wichtig, dass es in der Stadt mit 40 000 Einwohnern eigene Vereinsstrukturen gibt. So könne man das Jahresprogramm individueller gestalten „und da zusammenarbeiten, wo es sinnvoll ist“. Allerdings spürt auch ihr Verein, wie viele andere, den Mitgliederschwund. Langfristig befürchtet sie deshalb, dass sich die Vereine in den Stadtteilen zusammentun müssen.
Traditionell sammelt die Stadt Ostfildern bei den Neujahrsempfängen Spenden. Diesmal standen bunte Tüten auf den Tischen, um den Erhalt der Sitz- und Flitzhasen-Skulpturen im Scharnhauser Park zu sichern. Diese werden saniert.
Drei Städte auf den Fildern feiern Jubiläum
Musikalischer Start
Mit Titeln von Johann Strauss begrüßten die Orchester der Musikschule Ostfildern das neue Jahr im Kubino: „Beim Wiener Opernball bekommen Sie das nicht kostenlos.“ Der Leiter Marcus Borchert führte spritzig durchs Programm, das Vielfalt und Qualität der kommunalen Musikschule unterstrich.
Jubiläumsjahr
Durch die Gebietsreform in Baden-Württemberg, die am 1. Januar 1975 in Kraft trat, gab es auf den Fildern drei neue Städte. Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen und Ostfildern feiern dieses Jahr ihr 50-jähriges Bestehen. Die Großen Kreisstädte sind aus kleineren Gemeinden entstanden.
Zusammenschluss
Die Fildergemeinden Nellingen mit der Parksiedlung, Ruit, Kemnat und Scharnhausen wurden 1975 zur Großen Kreistadt Ostfildern zusammengeschlossen. 2002 kam der neue Stadtteil Scharnhauser Park dazu, in dem heute 8500 Menschen leben. Insgesamt hat die Stadt Ostfildern 40 000 Einwohner.